Blaue Flagge mit Sternen, Menschenrechte als Auftrag: Der Europarat ist wohl eine Art moralisches Gewissen des Kontinents. In diesem Jahr ist Deutschland seit 75 Jahren dabei – und steht selbst unter Beobachtung.
Kinderrechte, Künstliche Intelligenz sowie Kultur- und Meinungsfreiheit – der Europarat ist die älteste Institution Europas, die bis heute über Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wacht. Zum Jubiläum der deutschen Mitgliedschaft beantwortet die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) die wichtigsten Fragen.
Was ist der Europarat?
Der Europarat ist eine internationale Organisation mit dem Ziel, Demokratie sowie Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in Europa zu fördern. Sein Hauptsitz ist im französischen Straßburg. Aktuell sind 46 Staaten Mitglied – alle europäischen Länder außer Belarus, Russland, dem Vatikanstaat sowie dem Kosovo, der nicht von allen Staaten anerkannt wird.
Was bringt der Europarat jedem Einzelnen?
Der Europarat hat die Europäische Menschenrechtskonvention und den dazugehörigen Gerichtshof geschaffen. Bürgerinnen und Bürger können vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen ihren Staat klagen, wenn ihre Rechte verletzt werden, und so auf Missstände aufmerksam machen. Der Europarat setzt sich außerdem zum Beispiel für den Schutz von Kinderrechten, Meinungs- und Pressefreiheit sowie für eine starke Zivilgesellschaft ein. Er fördert etwa länderübergreifende Kultur- und Sportprojekte.
Insgesamt hat er rund 200 zwischenstaatlich verbindliche Abkommen geschlossen – beispielsweise zum Schutz nationaler Minderheiten, zum Recht auf soziale Sicherheit und zum Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt. Der Europarat beobachtet die Entwicklungen in den Mitgliedsländern und kann Empfehlungen und Rügen aussprechen. Er hat jedoch nur begrenzte Straf- und Sanktionsmöglichkeiten. Jüngst ist Deutschland vom Menschenrechtskommissar des Europarats gerügt worden – für das Vorgehen der Polizei bei Protesten gegen Israels Militäreinsatz im Gaza-Krieg. Er pochte auf die Meinungsfreiheit und warnte Deutschland davor, Kritik an der israelischen Regierung pauschal als antisemitisch zu bewerten.
Was ist der Europarat nicht?
Er ist nicht Teil der Europäischen Union. Die 27 Mitgliedstaaten der EU sind politisch und wirtschaftlich deutlich enger verbunden und arbeiten konkreter zusammen. Verwechslungsgefahr besteht vor allem mit dem Europäischen Rat. Das ist das Gremium der EU, in dem die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten zusammenkommen. Außerdem ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nicht zu verwechseln mit dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), der für die Auslegung der EU-Verträge zuständig ist.
Optisch und akustisch gibt es zwischen dem Europarat und der EU allerdings Überschneidungen. Beide Institutionen nutzen die blaue Flagge mit zwölf goldenen Sternen als ihr Symbol. Beethovens “Ode an die Freude” ist die Hymne sowohl der EU als auch des Europarats.
Seit wann gibt es den Europarat?
Am 5. Mai 1949 wurde er als erste europäische Organisation nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet. Die zehn Gründungsstaaten verfolgten damit vier Jahre nach Kriegsende das Ziel, Frieden, Stabilität und Demokratie in Europa wiederherzustellen. Eine Mitgliedschaft Deutschlands war umstritten. Der britische Politiker Winston Churchill war zum Beispiel der Überzeugung, dass man Deutschland eingebunden in eine zwischenstaatliche Institution besser kontrollieren kann. Andere Staaten waren skeptisch, ob das Land, das wenige Jahre zuvor unter der NS-Führerschaft den Krieg begonnen hatte und für Millionen von Toten verantwortlich war, schon demokratiefähig sei.
Seit wann ist Deutschland Mitglied?
Seit dem 13. Juli 1950. Vollmitglied wurde Deutschland jedoch erst mit dem Ende der alliierten Besatzung am 2. Mai 1951. Innerhalb der deutschen Politik war der Beitritt umstritten. Es wurde befürchtet, dass die damit verbundene Westbindung die Wiedervereinigung Deutschlands erschweren würde. Schließlich stimmte der Bundestag aber mehrheitlich dem Beitritt zu, und der Europarat war damit die erste internationale Organisation, der Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg beitrat. Dies symbolisierte Deutschlands Bekenntnis zum gemeinsamen europäischen Wertefundament.