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Seine Vision: die verwaiste Arche

Vor 20 Jahren begründete Pastor Bernd Siggelkow in Berlin das Sozialprojekt „Arche“. Seine Hoffnung: Kein Kind muss mehr arm aufwachsen

Berlin – „Arche“-Gründer Bernd Siggelkow hofft, dass die mittlerweile 23 Sozialeinrichtungen des christlichen Kinder- und Jugendwerks irgendwann überflüssig werden. Seine Hoffnung sei, dass die „Arche“ schließt, weil kein Kind mehr arm aufwächst, sagte der evangelikale Pastor in einem Pressegespräch: „Aber dazu muss sich noch vieles im gesellschaftlichen Denken verändern.“ Das Sozialprojekt „Arche“ feierte jetzt sein 20-jähriges Bestehen.
Begonnen hatte alles mit einer Suppenküche für emotional und körperlich ausgehungerte Kinder, die Siggelkow am 25. November 1995 in Berlin-Hellersdorf eröffnete. Heute werden täglich rund 4000 Heranwachsende von 180 Mitarbeitenden in den 23 Einrichtungen in Deutschland, Polen und der Schweiz betreut. Allein für die 20 Einrichtungen in Deutschland brauche die „Arche“ jährlich über acht Millionen Euro, die durch Spenden eingeworben werden müssen, sagte Siggelkow, der für sein Engagement 2008 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt wurde.
Die erste „Arche“ mit 20 Kindern habe er in seinem Wohnzimmer gegründet. Das 1986 für junge Familien errichtete Berlin-Hellersdorf sei damals zwar der kinderreichste Bezirk Europas gewesen, bot aber den vielen Kindern nur wenige Möglichkeiten: „Explodiert ist das Projekt dann, weil wir als eine der ersten Organisa­tionen in Deutschland erkannt haben, dass manche Kinder zu Hause nicht richtig grundversorgt werden und hungrig sind.“ Oder dass ihre Eltern sie schulisch zu wenig förderten. „Ich wollte einen Ort schaffen, an dem sie nicht Programme, sondern Menschen erleben, gerade auch Kinder, die in ihren Familien wenig Liebe und Unterstützung erfahren“, sagte Siggelkow.
Die „Arche“ habe das Thema Kinderarmut salonfähig gemacht und gezeigt, dass man Sozialarbeit mit einer professionellen Nähe leben muss. „Vor allem bei traumatisierten und verhaltens­auffälligen Kindern ist Liebe der Schlüssel zum Herzen“, sagte Siggelkow.
Besser sei die Si­tuation seitdem nicht geworden. Seit dem ersten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung 2001 habe sich die Zahl der armen Kinder in Deutschland von 1,2 auf 2,5 Millionen verdoppelt, kritisierte der Pastor. Und die Chancenungleichheit unter Kindern werde noch größer, weil die Schere zwischen Arm und Reich immer mehr auseinanderklaffe.
Er habe in den vergangenen 20 Jahren drei Kinder beerdigt, sagte der Pastor. Und oft hätten er und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter es mit sexuellem und psychischem Missbrauch zu tun und kämen an die Grenzen der Belastbarkeit. „Ohne Fundament würde diese Arbeit nicht funktionieren und das Fundament meines Lebens ist mein Glaube“, sagte Siggelkow. epd