Rund ein Jahr lang beleuchtet die Schau „Und vergib uns unsere Schuld?“ die Wechselbeziehung zwischen den christlichen Kirchen, ihren Anhängern und dem totalitären Machtstreben des NS-Regimes. Auf zwei Etagen vermittelt die Ausstellung im LWL-Landesmuseum für Klosterkultur in Lichtenau-Dalheim das Bild einer zerrissenen Gesellschaft von der Weimarer Republik bis zur Nachkriegszeit. Bis 18. Mai 2025 ist sie zu sehen.
In der violett und schwarz gehaltenen Ausstellungsarchitektur stehen Fragen zur Position und Verantwortung der beiden großen christlichen Kirchen im Fokus, die anhand historischer Fakten und wissenschaftlicher Forschung beantwortet werden. Besucherinnen und Besucher sind aufgefordert, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Es gehe um Verrat und Nächstenliebe, Kollaboration und Widerstand, Täter und Opfer, erklären die Ausstellungsmacher. Es gehe um die Maßnahmen, mit denen die Nationalsozialisten den christlichen Glauben aus dem Alltag zu verdrängen suchten, um den möglichen Einfluss christlicher Motive auf den Widerstand gegen den Nationalsozialismus und darum, wie die christlichen Kirchen und ihre Anhänger in die nationalsozialistische Unterdrückungs- und Vernichtungspolitik verstrickt waren.
Mehr als 200 Exponate aus Museen, Archiven, Bibliotheken und privaten Sammlungen, darunter Fotografien, Alltagsgegenstände, Briefe, Tagebücher, Urkunden und Erinnerungsberichte, sollen veranschaulichen, wie die nationalsozialistische Ideologie das Leben durchdrang und auch vor den beiden großen christlichen Kirchen nicht haltmachte. „Antichristliche und antikirchliche Überzeugungen zählten von Beginn an zum nationalsozialistischen Weltbild“, sagt Ingo Grabowsky, Direktor des LWL-Landesmuseums.
So widmet sich die Schau auf der einen Seite den evangelischen Christen, unter denen viele vor allem Anfang der 1930er Jahre dem Nationalsozialismus positiv gegenüberstanden. „Die meisten von ihnen wollten einen anderen Staat und begrüßten Hitlers Politik“, betont Grabowsky. Im Mittelpunkt stehen die Gegensätze zwischen den mit dem NS-Parteiprogramm sympathisierenden „Deutschen Christen“ und der oppositionellen Bewegung der „Bekennenden Kirche“.
Doch auch die Bekennende Kirche, die sich 1934 in Wuppertal-Barmen gründete, war keine kirchliche Widerstandsorganisation, sondern ein von einzelnen Christen geleisteter Widerstand gegen das NS-Regime. Zu ihnen zählte der Theologe Dietrich Bonhoeffer, der in Verbindung mit den Verschwörern des 20. Juli stand und später für seine politischen Widerstandsaktivitäten inhaftiert und 1945 ermordet wurde.
Auf der anderen Seite wird in der Ausstellung die Rolle der katholischen Kirche diskutiert, die zwar Hitler zunächst kritisch gegenüberstand, sich dann aber arrangierte und ihre institutionellen Sonderrechte durch das Reichskonkordat am 20. Juli 1933 sichern wollte. Ein Bündnis, das nicht lange währte und in kirchenfeindlichen Maßnahmen endete, die darauf abzielten, den christlichen Glauben endgültig auszuschalten.
Die Ausstellungsmacher stellen den Umgang mit dem Vorwurf an Papst Pius XII., angesichts der Verfolgung und Vernichtung der jüdischen Mitbürger geschwiegen zu haben, ins Zentrum. Nicht nur Zeitdokumente werden in Vitrinen präsentiert. Exponate wie die Winter-Häftlingshose eines Zeugen Jehovas, das Bittschreiben des jüdischen Flüchtlings Martin Wachskerz an den Papst – es stammt aus dem Vatikanischen Archiv – oder die Notiz „Vater mittags abgeholt“ vom Sohn des Gewerkschafters und Widerstandskämpfers Nikolaus Groß sind Zeugnisse.
Ob die Kirchen willige Helferinnen des NS-Regimes waren, lässt sich nach Meinung von Museumsleiter Ingo Grabowsky nicht mit einfachem Ja oder Nein beantworten. „Die Kirchen waren letztlich von der Situation überfordert, es gab unterschiedliche Motive des Handelns, jedoch keine grundsätzliche Gegenwehr.“ Mutige Menschen, die aus ihrem christlichen Weltbild heraus handelten, wie Pastor Martin Niemöller, die Lehrerin Elisabeth Schmitz, der Theologe Dietrich Bonhoeffer oder die Mitglieder der studentischen „Weißen Rose“, seien Ausnahmen geblieben.
Ziel der Ausstellung sei es, das Publikum dazu anzuregen, sich eine Meinung zu bilden und dabei zu reflektieren, wie man in ähnlicher Konfliktsituation gehandelt hätte, sagt Grabowsky. Die Kirchen hätten sich erst in den 1960er Jahren kritisch mit ihrer Rolle und ihrer Schuld im Nationalsozialismus auseinandergesetzt. Ein Prozess, der bis heute andauere.