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Schlüsselmacht Ägypten und der Nahostkonflikt

Erbitterte Kriege hat Ägypten gegen Israel geführt und vernichtende Niederlagen eingesteckt. 1978 wagte Kairo den Weg zum Frieden. Heute ist das arabische Land als Vermittler im Nahostkonflikt unverzichtbar.

“Kein Krieg gegen Israel ohne Ägypten, kein Frieden ohne Syrien” – lange galt das als geostrategische Faustformel für den Konflikt im Nahen Osten. Aber der hat sich gründlich gewandelt. Während Syrien unter islamistischer Führung vor einer unsicheren Zukunft steht und derzeit machtpolitisch und diplomatisch ausscheidet, wollten Israel und die Terrororganisation Hamas am Montag im ägyptischen Scharm el-Scheich den Friedensplan von US-Präsident Donald Trump unterzeichnen.

Neben den USA zählen auch Katar und die Türkei zu den Vermittlerstaaten des langersehnten Abkommens, doch Ägypten spielte im Nahostkonflikt als bevölkerungsreichstes arabisches Land mit großer kultureller Ausstrahlung und direkter Nachbar Israels immer eine Schlüsselrolle. Mehrfach führte Kairo Krieg gegen den jüdischen Staat. Als Vormacht der arabischen Verbündeten erlitt es 1948 und im Sechstagekrieg vom Juni 1967 vernichtende Niederlagen. Damals verlor es die Kontrolle über den Gazastreifen und den Sinai.

Doch die gescheiterte Rückeroberung im Jom-Kippur-Krieg 1973 brachte den Bewusstseinswandel und Verhandlungen. Als erste arabische Nation schloss Ägypten 1979 Frieden mit Israel und erkannte das Land offiziell an. Präsident Anwar al-Sadat und der israelische Ministerpräsident Menachem Begin erhielten bereits 1978 für ihre Bemühungen den Friedensnobelpreis. Allerdings hatte Ägypten damit gegen die “Drei Neins” der Arabischen Liga verstoßen: kein Frieden mit, keine Anerkennung von und keine Verhandlungen mit Israel. Dafür wurde das Land aus der Liga ausgeschlossen – erst nach der Wiederaufnahme kehrte deren Hauptquartier 1990 nach Kairo zurück. Sadat bezahlte seinen Friedenswillen bei einem islamistischen Attentat 1981 sogar mit dem Leben.

Sein Nachfolger Husni Mubarak setzte den Entspannungskurs jedoch fort und unterstützte zugleich die Idee eines unabhängigen Palästina. Damit wurde Ägypten immer mehr zum Vermittler: Bereits 1995 unterzeichneten Israelis und Palästinenser das zweite Abkommen des Oslo-Prozesses im ägyptischen Taba.

Unter den fundamentalistischen Muslimbrüdern und großen Teilen der ägyptischen Bevölkerung blieb der alte Hass auf Israel tief verwurzelt – und ist es bis heute. Doch wirschafts- und sicherheitspolitisch näherten sich beide Staaten weiter an. Ägypten sagte Israel 2005 Gaslieferungen zu und beide Länder betrachteten die islamistische Terrororganisation Hamas, die 2007 im Gazastreifen die Macht übernahm, als gefährlichen Gegner. Den ägyptischen Grenzübergang Rafah riegelte die ägyptische Armee immer wieder ab.

Nach dem “Arabischen Frühling” 2011 hielt selbst der ägyptische Präsident und Muslimbruder Mohammed Mursi den Friedensvertrag mit Jerusalem aufrecht. Nach dessen Sturz durch das Militär stellte Amtsnachfolger Abdel Fattah al-Sisi die Fundamentalisten dann weitgehend kalt, ließ hunderte Hamas-Tunnel für den Schmuggel von Menschen und Material sprengen und baute die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Nachbarland weiter aus. Außerdem unterstützte Ägypten diplomatisch den Ausgleich weiterer arabischer Staaten mit Israel in den sogenannten Abraham-Abkommen.

Auch nach dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 gehörte Kairo zu den wichtigsten diplomatischen Akteuren. So legte Ägypten im vergangenen März einen eigenen Friedensplan zur Freilassung der Geiseln und den Rückzug Israels vor, der teilweise an das nun unterzeichnete Abkommen erinnert, etwa mit dem Vorschlag einer “Technokraten-Regierung” im Gazastreifen. Der Übergang in Rafah wurde unterdessen zum Nadelöhr für humanitäre Hilfe in das Kampfgebiet.

Die damals von Trump vorgeschlagene Aussiedlung der 2,2 Millionen Palästinenser in Nachbarländer, auch auf den Sinai, lehnte die ägyptische Regierung dagegen vehement ab und pochte auf Hilfsgelder für eine Zukunft der Menschen in Gaza – vor allem auch deshalb, weil das Regime al-Sisis kein Interesse am Zustrom hunderttausender traumatisierter, oft radikalisierter Kriegsflüchtlinge haben kann.

Mit Blick auf den nun anstehenden Wiederaufbau des Küstengebiets dürfte Ägypten auch künftig eine entscheidende Rolle spielen. Nach zwei Jahren Krieg ist der Gazastreifen zu mehr als 90 Prozent zerstört. Nach dem Friedensgipfel soll das Nilland in einigen Wochen auch Gastgeber einer internationalen Konferenz für den Wiederaufbau sein – eine Aufgabe fast so groß wie der Frieden selbst.