Der Tod des Regimekritikers Alexej Nawalny birgt nach Ansicht des Politikwissenschaftlers und Russland-Experten Gerhard Mangott keine Bedrohung für die Regierung von Wladimir Putin. Es gebe derzeit zwar Proteste, Menschen legten weinend Blumen für Nawalny nieder, sagte der österreichische Wissenschaftler am Samstag im WDR-Radio. „Doch Putin muss keine Demonstrationswelle befürchten.“ Denn bei einem Protest für einen Politiker, der von Russland als Extremist eingestuft wurde, drohe den russischen Menschen sehr viel: vom Verlust des Arbeits- oder Studienplatzes bis zu Gefängnishaft.
Russland habe den repressiven Apparat und eine Sicherheitspolizei, um Demonstrationen niederzuschlagen, sagte der Professor für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck. Für die russische Führung sei der Tod Nawalnys auch ein Abschreckungseffekt für andere potenzielle Aktivisten und Akteure. „Das heißt, Putin muss nichts fürchten als Konsequenz aus diesem Tod“, betonte Mangott, der zum Schwerpunkt internationale Beziehungen und Sicherheit im postsowjetischen Raum forscht.
Putin habe mit seiner Verfassungsreform in den vergangenen Jahren die personellen und institutionellen Grundlagen der liberalen Opposition ohnehin beseitigt, führte er weiter aus. „Er hat eine Wüste hinterlassen und man kann nicht darauf hoffen, dass in diesem Wüstenboden ein Keim wieder aufgeht.“ Weitere Probleme bestehen laut dem Politikwissenschaftler darin, dass die russische Opposition zersplittert ist und Exil-Politiker wie Michail Chodorkowski keine relevanten Größen mehr in Russland sind.
Nawalny sei nicht der Führer der Opposition gewesen, aber der charismatischste und mobilisierungsstärkste Aktivist in dieser Gruppe, sagte Mangott. „Er war die letzte verbliebene Hoffnung für die Menschen in Russland, die gegen die Putin-Regierung gerichtet sind.“ Mit seinem Tod sei kein Funke und kein Symbol der Hoffnung auf Veränderung mehr da.
Nawalny war nach Angaben der staatlichen russischen Nachrichtenagentur TASS am Freitag in der Strafkolonie im Norden Russlands, in der er inhaftiert war, zusammengebrochen und gestorben. Am Samstag wurde die Nachricht von seiner Sprecherin Kira Jarmysch auf X, vormals Twitter, bestätigt. Der 47-Jährige war seit Langem ein Opponent des russischen Präsidenten Putin. Er saß seit 2021 in Russland in Lagerhaft. 2020 überlebte er einen Giftanschlag. Nach erfolgreicher Behandlung in Deutschland war er nach Russland zurückgekehrt.