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Satirischer Höhenflug: Joachim Zelters neuer Roman “Hoch oben”

„Hoch oben“ heißt der neue Roman des Tübinger Autors, Joachim Zelter. Der surreal-politische Roman, der am 20. August im Alfred Kröner-Verlag Stuttgart erschienen ist, thematisiert mittels grotesker Übertreibung den Politikbetrieb. Subtil kommt die politische Thematik über Bilder, Parabeln und Metaphern daher.

Die Erzählerfigur ist ein Engländer – Jeremy Ash -, durch dessen Außenseiterperspektive eine satirische Distanz zur deutschen Gesellschaft entsteht. „Mir war es schon lange ein Anliegen, über die Anbetung von sehr beliebten Politikern zu schreiben und was das mit einer Gemeinschaft macht“, sagte Zelter dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Aus persönlicher Verbundenheit mit englischer Literatur erfand der studierte Anglist den Plot: ein Engländer erleidet irgendwo in Süddeutschland einen Unfall, kann die Rechnung für die Operation nicht bezahlen und gerät in einen Strudel geradezu unwirklicher Ereignisse. „Der Dosenöffner war diese Idee, das muss ein Außenseiter sein und das muss ein Engländer sein. Und das muss halt sehr fantastisch, satirisch, leichtfüßig geschrieben sein“, berichtet der Schriftsteller wie der Roman entstand.

„Hoch oben“ ist nach der „Schule der Arbeitslosen“ (2006), „Der Ministerpräsident“ (2010) und „Die Verabschiebung“ (2021) der vierte politische Roman des Autors. Wie bei allen Romanen des Schriftstellers, der unter anderem Mitglied im Verband deutscher Schriftsteller (VS) und dem PEN-Zentrum Deutschland ist, steht auch in seinem jüngsten Werk Franz Kafka (1883-1924) Pate. Im Geist Kafkas folgt das Geschehen nicht der klaren Linie einer klassischen Handlung, sondern entfaltet sich nach der beklemmenden, traumgleichen Logik des Unheimlichen.

Inspiriert von englischen Literaten, insbesondere dem Zukunftsroman von William Morris (19. Jahrhundert) „News from Nowhere“, spielt „Hoch oben“ in einer utopischen Kleinstadt Süddeutschlands. Dieser Kunstgriff habe ihm die „literarische Freiheit“ der Übertreibung, der Groteske und der Entstellung gegeben, führte Zelter aus. Irrwitzig überzeichnet der Autor jeden Auftritt seiner Bürgermeister-Figur, Thorwald Burger.

Auftritte in Talkshows sind ihm wichtiger als der Ehrendoktortitel, stets ist er präsent, zu jedem Thema hält er einen Kommentar bereit. Die Medien verstärken die Omnipräsenz, indem sie immer und immer wieder schreiben, was Burger sagt, macht und plant. Die Wiederholung sorgt dafür, dass jedermann für die Wahrheit hält, was geschrieben, gesagt oder gepostet wird.

In dem Roman macht der mit dem Thaddäus-Troll-Preis ausgezeichnete Autor sichtbar, wie ein Bürgermeister auf eine allgemeine Öffentlichkeit, die Stadtgemeinschaft, wirkt und wie diese wiederum den Politiker erschafft, indem sie ihm bestimmte Charaktereigenschaften zuschreibt. „Ein populistischer Politiker, der allein irgendwo in seiner Kammer ist, der kann ja populistisch sein, wie er will, das hätte keine Relevanz. Die Relevanz kommt erst durch diese ständige mediale Aufmerksamkeit“, beschreibt Zelter das Wechselspiel.

Was ist Wahrheit, was sind „Fake News“, wann arbeiten wir mit Fiktionen, sind gefangen in Illusionen oder Manipulationen? Diese Fragen schwingen in dem Roman mit. Das Thema, das Zelter in „Die Würde des Lügens“ aus dem Jahr 2000 explizit aufgreift, kulminiert in „Hoch oben“ in einem sprachlichen Feuerwerk.

Der Roman reizt zum Lachen, weil er auf kindlich-naive Art eine Stadtgemeinschaft vorführt, die dem Populismus und der Anbetung eines charismatischen Glanz- und Gloria-Getues verfällt. Die Aktualität des Themas hinterlässt allerdings einen eher bitteren Nachgeschmack. In einer Zeit, in der gerade Politiker „wahnsinnig popularisiert und angebetet“ würden, sei das Buch jenen Bürgermeistern gewidmet, die einfach normal ihre Arbeit machen, ohne dass sie jeden Abend im Fernsehen sind”, sagt Zelter. (2212/07.09.2025)