“Wenn du nicht mehr weiter weißt…” – Zwei Arbeitskreise sollten zu Beginn des Jahrzehnts einen Fahrplan für die Agrarpolitik festlegen. Wie es dazu kam und was aus den Pilotprojekten wurde, zeigt ein neues Buch.
Gut ein Jahr ist es her, da rollten hierzulande die Traktoren über Straßen und Autobahnen und legten vielerorts den Verkehr lahm. Insbesondere in Berlin brauch sich in Demonstrationen mit Zehntausenden Teilnehmern die Wut der Landwirtinnen und Landwirte auf die Agrarpolitik der Bundesregierung Bahn. Auslöser der Bauernproteste waren angekündigte Sparmaßnahmen, so die sofortige Streichung der Vergütung für den Agrardiesel, um das Haushaltsloch der Ampel zu stopfen.
Doch war die heftige Reaktion auf diese Haushaltsentscheidung – die schlussendlich auch zu deren Rücknahme führte – nur das Ende eines fortschreitenden Entfremdungsprozesses zwischen Landwirtschaft und Politik. Dieser resultiert vor allem aus enttäuschten Erwartungen und Ernüchterung über die Unwilligkeit der politischen Mühlen, wie es das neue Sachbuch “Brücken bauen” von Rainer Münch und Ludger Schulze Pals umfassend dokumentiert.
Programmatisch zeigt das Cover des im LV.Buch, dem Buchverlag des Landwirtschaftsverlages in Münster, herausgegebenen Werks die Schlange der Traktoren vor dem Brandenburger Tor. Dabei passt dieser eindrucksvolle Schlusspunkt zunächst überhaupt nicht zum Tenor des Buches. Das stellt nämlich eine Phase in den Vordergrund, in der eine ausgleichende Agrarpolitik zwischen Landwirten, Handel, Umweltverbänden und Verbrauchern plötzlich möglich schien. Im Zentrum stehen dabei zwei Arbeitsgruppen, die noch unter der letzten Merkel-Regierung ab 2019 eingerichtet wurden. Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, besser bekannt unter dem Namen Borchert-Kommission, und die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL).
Der erste Teil des Buches widmet sich dann den Protagonisten der Entwicklung, getreu dem Buchtitel als “Die Brückenbauer” vorgestellt. Dazu zählen zuvorderst die beiden jeweiligen Kommissionsvorsitzenden, der ehemalige CDU-Bundesagrarminister Jochen Borchert sowie der eigentlich aus der Germanistik stammende Forscher Peter Strohschneider. Später kommen andere wichtige Kommissionsmitglieder hinzu, wie der damalige Vizepräsident des Bauernverbandes, Werner Schwartz, inzwischen CDU-Agrarminister in Schleswig Holstein, und die “Kommissions-Jugend”, die Umweltschützerin Myriam Rapior und die ehemalige Vorsitzende des Bundes der Deutschen Landjugend, Kathrin Muus.
Ihre persönlichen und beruflichen Werdegänge bis hin zur Entscheidungsfindung in den Kommissionen werden von Münch und Schulze Pals teilweise sehr ausführlich begleitet. Das scheint an manchen Stellen schon fast vom Thema wegzuführen, ist aber nicht unbedeutend. Denn wichtig ist es den Autoren dabei, nachvollziehbar zu machen, mit wie viel Skepsis der Großteil der Interessenvertreter (Stakeholder) in die Arbeitskreise eingestiegen ist – und wie sich diese Skepsis im Lauf der Zusammenarbeit zu Optimismus gewandelt habe (“Das kann was werden”).
Auf dieses Hoch folgt dann aber das unvermeidbare Tief. Denn Verdienst des Buches ist es im zweiten Teil vor allem, zu zeigen, warum die Empfehlungen der beiden Kommissionen gescheitert sind – obwohl sie doch eigentlich von Beteiligten aller Interessengruppen ausgehandelt und eingefordert wurden. Münch und Schulze Pals, beide auch aus bäuerlichen Familien stammend, geben sich dabei keiner Illusion hin, zu welchem Ende die doch so fruchtbare Kommissionsarbeit führen wird. “Der große Wurf wird nicht kommen!”, stellen sie klar. Sowohl der Borchert- und als auch der ZKL-Abschlussbericht sind “politisch tot und auf dem Weg in die Schublade”.
Die Hauptschuldigen daran sind für die Autoren klar auf der politischen Seite zu suchen: “Grüne und FDP haben sich nie ernsthaft mit den Ergebnissen der Zukunftskommission auseinandergesetzt, geschweige denn sich hinter die Kommission gestellt. Aber auch die Union hat sich zu keinem Zeitpunkt geschlossen für die Vorschläge der Borchert-Kommission oder der Zukunftskommission erwärmen können.”
Ein zweiter Grund, warum die Beschlüsse nun vom Tisch sind, sei die politische Weltlage. Die wirtschaftliche Lage zwischen 2020 und 2022 hätte eine Umsetzung in Deutschland möglich gemacht. Seit dem russischen Krieg in der Ukraine, Energie- und Inflationskrise hätten sich die Prioritäten aber geändert. “Das Zeitfenster scheint für eine zeitnahe Umsetzung der Ergebnisse der Zukunftskommission Landwirtschaft geschlossen”, erklären die Autoren.
Dennoch wollen Münch und Schulze Pals nicht ganz ohne Hoffnung enden. Zum einen beleuchten sie noch den aktuell in Brüssel laufenden Prozess einer ganz ähnlich gelagerten Kommission – auch unter Führung von Strohschneider – der eine europäische Lösung voranbringen will – wenn auch noch mit ungewissem Ausgang.