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Roma-Organisation kritisiert wachsende Diskriminierung

Antiziganistische Vorfälle haben im vergangenen Jahr in Berlin einer Dokumentation zufolge einen neuen Höchststand erreicht. So seien 2024 insgesamt 247 gegen Angehörige der Roma gerichtete Ereignisse gemeldet worden, teilte die Dokumentationsstelle Antiziganismus (Dosta) des Vereins Amaro Foro am Dienstag in Berlin mit. 2023 waren es 210 dokumentierte Fälle.

Die meisten ereigneten sich demnach in den drei Lebensbereichen „Kontakt zu Behörden“ (49), im Bildungsbereich (47) und in der Öffentlichkeit (45). Weitere dokumentierte Lebensbereiche umfassten unter anderem Justiz, Wohnen und den Zugang zu medizinischer Versorgung. Neu hinzugekommen ist der Bereich Politik, in dem 2024 insgesamt neun rassistisch geprägte Vorfälle erfasst wurden. Laut Dosta wurden seit Beginn der Dokumentation 2014 insgesamt 1.749 antiziganistische Diskriminierungen registriert.

Projektleiterin Violeta Balog forderte die Behörden auf, darauf endlich zu reagieren. Dabei verwies sie auf 2024 veröffentlichte Handlungsempfehlungen, wie etwa die Einrichtung von unabhängigen Beschwerdestellen für den Bildungsbereich. Zudem fordert Amaro Foro für Angehörige der Roma ein Bleiberecht in Deutschland. Dabei wird auch auf die historische Verantwortung Deutschlands verwiesen, nach der Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma durch die Nationalsozialisten.

Balog betonte: „Wir erleben zurzeit eine politische Lage, in der rechtsradikale Einstellungen der gesellschaftlichen Mitte offen kommuniziert und gelebt werden.“ Projektmitarbeiterin Valerie Laukat beklagte eine Zunahme offen antiziganistischer Angriffe im öffentlichen Raum. Die Hemmschwelle sei gesunken, sagte Laukat.

Laut Dosta werden Angehörige der Roma am Arbeitsmarkt trotz Arbeitskräftemangel ausgegrenzt und benachteiligt. Behörden unterstellten Kriminalität, Nachbarn würden sie für Wohnprobleme verantwortlich machen und Bildungseinrichtungen beschränkten eine Teilhabe. Zudem würden Medien und Politiker Antiziganismus schüren, indem sie Mitglieder der Roma für soziale Missstände verantwortlich machten.

Die neue Dokumentation benennt mehrere Beispiele von Diskriminierungen. So sei nach einem Angriff auf eine Schülerin durch einen Mitschüler die Reaktion der Jugendamtsmitarbeiterin gewesen: „Ein bisschen Gewalt kennt das Mädchen sicher aus ihrer Familie, wenn sie aus Rumänien kommt.“ In einem anderen Fall habe die Mitarbeiterin einer Unterkunft eine junge Mutter, die erneut schwanger war, damit konfrontiert, sie solle abtreiben, „weil sie schon so viele seien“, heißt es in der Dokumentation.

In einem weiteren Fall sei eine minderjährige Mutter bei der ersten Antragstellung für die Schwangerschaftsausstattung von einem Mitarbeiter des Gesundheitsamtes gefragt worden: „Warum brauchen sie das Geld, reicht ihnen die Ausstattung vom Jobcenter nicht oder kaufen sie sich dann ein Auto?“

Der Verein Amaro Foro ist nach eigenen Angaben eine „transkulturelle Selbstorganisation“ von Angehörigen der Roma und von Nicht-Roma. Der Verein engagiert sich gegen Antiziganismus und für Teilhabe und Chancengerechtigkeit. „Amaro Foro“ heißt in der Sprache Romanes „Unsere Stadt“.