Im US-Wahlkampf 2024 machte Donald Trumps Vizepräsidentschaftskandidat J.D. Vance mit spöttischen Bemerkungen über einen „Haufen kinderloser Katzenfrauen mit einem erbärmlichen Leben“ Schlagzeilen. Er zielte damit auf die aus seiner Sicht familien- und kinderfeindlich gewordene Demokratische Partei. Inzwischen ist Trump wieder US-Präsident – und in Washington werden sogar Prämien für Neugeborene und Auszeichnungen für Mütter diskutiert.
Trumps Stammwähler, konservative Christen, haben dabei gemischte Gefühle. Mehr Kinder seien in Ordnung, doch der frühere Präsidentenberater Elon Musk mit angeblich 14 Kindern aus mehreren Beziehungen soll kein Vorbild sein. Trump selbst hat fünf Kinder aus drei Ehen.
In den USA lag die Geburtenrate 2024 auf einem Tiefpunkt von 1,6 Kindern je Frau. Die Rate ist zwar höher als in anderen Industrieländern, doch ging sie in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum zurück: 2007 lag die Rate in den USA noch bei rund zwei. Rechnerisch braucht man eine Rate von 2,1 Kindern, um die Bevölkerung ohne Zuwanderung stabil zu halten. Einwanderung gilt in der Trump-Ära nicht als Mittel, um Arbeitsplätze zu besetzen und damit junge Menschen zu finden, die in die staatliche Rentenversicherung einzahlen.
Sinkende Geburtenraten sind in den USA in den vergangenen Wochen zu einem Topthema geworden. Im März verkündete Trump, er sei der „Fruchtbarkeitspräsident“. In Kürze wird im Weißen Haus ein Bericht über künstliche Befruchtung erwartet, auch In-vitro-Fertilisation (IVF) genannt. Die Technologie soll zugänglicher und bezahlbarer gemacht werden. Das sei eine „hohe Priorität für Präsident Trump“, erklärte Regierungssprecher Kush Desai auf der Plattform thehill.com.
Selbsternannte Lebensschützer, Stammwähler des Präsidenten, haben damit Probleme. Bei der künstlichen Befruchtung werden Spermien und Eizellen miteinander verschmolzen, um Embryonen zu erzeugen. Der evangelikal und konservativ eingestufte Südliche Baptistenverband, die größte protestantische Kirche der USA, beurteilt die künstliche Befruchtung skeptisch. Bei der Maßnahme würden mehr Embryonen als erforderlich erzeugt, eingefroren und später zerstört. Die römisch-katholische Kirche hat sich ebenfalls dagegen ausgesprochen.
Das Oberste Gericht des konservativen Bundesstaats Alabama urteilte 2024, dass eingefrorene Embryonen die Rechte von Personen haben. Künstliche Befruchtung kann die Geburtenzahlen nach Einschätzung von Experten bestenfalls nur begrenzt erhöhen. Nach Angaben der Amerikanischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin sind 2023 nur 2,6 Prozent der Babys in den USA mithilfe von IVF gezeugt worden.
Ein Hauptgrund der sinkenden Zahlen ist der Rückgang der Schwangerschaften besonders bei Teenagern. Wie das Forschungsbüro des US-Kongresses im April berichtete, ist die frühere hohe Geburtenrate bei 15- bis 19-jährigen Frauen zwischen 2007 und 2023 um 68 Prozent gesunken.
Experten sind sich einig: Die Ursachen für den Geburtenrückgang sind komplex. So schieben junge Frauen und Paare das Kinderkriegen auf. Bei einer Call-In-Show des Rundfunksenders NPR meldeten sich zahlreiche Betroffene: Die USA seien die einzige entwickelte Nation ohne bezahlte Elternzeit, klagte eine 30-jährige Anruferin. Kinderbetreuung sei zudem teuer. Sie mache sich Sorgen um ihre wirtschaftliche Absicherung und die Zukunft der Menschheit unter dem Klimawandel.
Die Diskussion um die Geburtenrate steht in den USA auch im Zeichen des Kulturkampfes. Es geht um das Konzept Familie. Der Südliche Baptistenverband betonte jüngst bei seinem Jahrestreffen, die Politik müsse „das Aufziehen von Kindern in intakten und verheirateten Familien“ fördern.
Laut einer Studie des Pew Research Center haben christliche Familien tendenziell mehr Kinder als Personen ohne religiöse Bindung. In dem sogenannten „Projekt 2025“, einem Wegweiser für die Planung der Trump-Regierung, wird die „Wiederherstellung der amerikanischen Familie“ betont. Danach soll die Politik die Bedeutung der Familie für den Zusammenhalt der Gesellschaft als oberste Priorität ansehen.
Die Regierung Trump hat bislang noch keine konkreten Pläne vorgelegt. Laut Medienberichten werden Steuererleichterungen pro Kind in Betracht gezogen und eine Geburtenprämie von etwa 5.000 Dollar. Die anvisierten Hilfsprogramme kollidieren jedoch mit Kürzungen im neuen Haushaltsentwurf. Nach einer Berechnung des Think-Tanks „Center on Budget and Policy Priorities“ würden Millionen Familien mit Kindern Steuerbegünstigungen verlieren.
Negativ betroffen wären auch die einkommensschwächsten US-Amerikaner, die auf die staatliche Krankenversicherung Medicaid angewiesen sind und mit Kürzungen rechnen müssen. Nach Angaben des Krankenhausverbandes deckt Medicaid die Kosten für rund 40 Prozent aller Geburten in den USA.