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Reisen und Gutes tun

Wildtiere in Afrika pflegen oder auf Zeit als Lehrerin in Indien arbeiten: Nicht nur Jüngere engagieren sich gerne im Ausland sozial. Auch Senioren kommen zunehmend auf den Geschmack

Senior-Experten-Service

Seit Marianne Humburg weiß, was sie nach ihrer Pensionierung machen will, kann sie es kaum noch erwarten. „Am liebsten würde ich gleich morgen anfangen“, sagt die 63-Jährige und sieht dem Ende ihrer Arbeitszeit nun nicht mehr mit Bangen entgegen.

Was kommt danach? Diese Frage stellt sich irgendwann jedem, das ein Leben lang im Job war und keine tagesfüllenden Hobbys gepflegt hat. Da viele Senioren noch topfit und belastbar sind, suchen sie eine neue Herausforderung, und die kann durchaus gerne auch mal außerhalb des europäischen Kulturkreises liegen.
Die Betriebswirtin Humburg etwa kennt sich aufgrund früherer Reisen ganz gut in Afrika und Asien aus. Beim letzten Trip 2015 nach Botswana kam sie dann auf die Idee. Wieso nicht dort etwas Sinnvolles tun, wo ehrenamtliches Engagement willkommen ist?

Kommerzielle und gemeinnützige Anbieter

Work and Travel, Volunteering – all das, was junge Leute nach dem Schulabschluss in die weite Welt treibt, gibt es auch für Ältere, soweit sie gesund sind. Ex-Lehrerinnen arbeiten in Indien, pensionierte Ärzte in Pakistan – Fachkräfte sind hochwillkommen. Aber auch wer nur auf einer Farm mit anpacken möchte, findet immer mehr Offerten.
Längst hat sich in Deutschland ein ganzer Markt für Senioren entwickelt und rund 40 Anbieter buhlen um das zahlungskräftige Klientel. Denn umsonst sind die Arbeitsaufenthalte nicht und die Preisunterschiede zum Teil erheblich. Neben kommerziellen Anbietern gibt es aber auch Angebote gemeinnütziger Organisationen wie des Christlichen Friedensdienstes Eirene oder der Aktion Sühnezeichen.
„Grundsätzlich informieren sich an einem Auslandseinsatz interessierte Senioren besser und haben einen höheren Beratungsbedarf als Jüngere“, erklärt Steffen Mayer, der als Lehrer in Ghana arbeitete und dort den kommerziellen Anbieter von Freiwilligeneinsätzen Rainbow Garden Village gründete, um zunächst Lehramtsstudenten als Helfer vor Ort zu vermitteln. „Dazu rufen wir aber auch auf. Jeder soll sich möglichst umfassend mit dem Zielland auseinandersetzen.“
Unterschiede zwischen älteren und jüngeren Teilnehmern gebe es am ehesten noch bei der Unterkunft, so seine Erfahrung. Ältere legten mehr Wert auf Komfort und seien bereit, dafür auch mehr zu bezahlen.
Nicht immer ist die Arbeit der Freiwilligen jedoch sinnvoll, und es tummeln sich auch Anbieter mit zweifelhaften Angeboten am Markt. Eine Studie der Hilfsorganisation „Brot für die Welt“, der Kinderrechtsorganisation Ecpat Deutschland und des Schweizer Arbeitskreises Tourismus und Entwicklung kam 2015 zu dem Ergebnis: Vom sogenannten Voluntourismus profitieren Freiwillige und Veranstalter oft mehr als die Menschen in den armen Ländern. Obwohl beispielsweise viele Angebote eine Tätigkeit mit Kindern vorsehen, mangele es an umfassenden Kindesschutzmaßnahmen.
Die südafrikanische Psychologieprofessorin Linda Richter warnt: „Aufbau und Auflösung von Bindungen mit schnell aufeinanderfolgenden Freiwilligen sind für kleine Kinder besonders schädlich.“ Kriterien für eine seriöse Anbieterorganisation seien eine gute Vorbereitung, Kinderschutzmaßnahmen und eine verbindliche Überprüfung der Freiwilligen, sagt Antje Monhausen, Referentin Tourismus und Entwicklung und Leiterin der Arbeitsstelle Tourism Watch von „Brot für die Welt“.
In vielen Ländern müssten Freiwillige ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen, um etwa sexueller Ausbeutung vorzubeugen. Monhausen: „Wir reden viel zu schnell davon, dass Voluntourismus ein Hilfsdienst ist. Gut gemacht, kann er eine wichtige Lernerfahrung für die Freiwilligen sein.“
Marianne Humburg, die sich gut mit Buchhaltung und Projektmanagement auskennt, möchte nach der Pensionierung erst einmal etwas tun, was mit ihrer vorherigen Arbeitswelt nichts zu tun hat. Zum Beispiel ihr Englisch verbessern. Daher überlegt sie, zunächst nach Südafrika zu reisen und dort einen Kurs zu besuchen.
Im Anschluss soll dann das Ehrenamt auf einer Farm stehen. Am liebsten möchte sie sich um kranke, verletzte und verwaiste Wildtiere kümmern. Rund 575 Euro zahlt man etwa als Volontär auf der Harnas-Farm in Namibia pro Woche. Dafür lernt man mit Wildtieren umzugehen und hilft beim Füttern oder reinigt die Gehege.

Auch in Deutschland gibt es viele Möglichkeiten

Als Betriebswirtin könnte sie aber durchaus auch ehrenamtlich ihr Wissen weitergeben, der „Senioren Experten Dienst“ etwa vermittelt berufserfahrene Pensionäre im In- und Ausland. Das ist dann allerdings weniger eine Urlaubsreise mit Hilfsdienst, sondern ein Arbeitsaufenthalt.
Auch in Deutschland können sich Ruheständler abseits ihrer Berufserfahrung ehrenamtlich engagieren: Das fängt bei der Arbeit mit Flüchtlingen vor der eigenen Haustür an und hört beim Bergwaldprojekt längst nicht auf, das deutschlandweit Freiwilligenarbeit in Naturschutzgebieten vermittelt. Und auch beim Bundesfreiwilligendienst gibt es keine Altersgrenze.

Internet: www.bundesfreiwilligendienst.de; www.internationale-freiwilligendienste.org/mitglieder.html; www.fairunterwegs.org; www.ses-bonn.de www.freiwilligenarbeit.de; www.studienkreis.org.