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Reformation unter Geschwistern

Die Kirchen wollen 2017 gemeinsam an die Reformation erinnern. Die Botschaft: eine stabile Partnerschaft, die sich auch durch historisch belastete Gedenktermine nicht erschüttern lässt

Mck

MÜNCHEN – Ein „offizieller Briefwechsel“ ist etwas, das gern bemüht wird, um historische Ereignisse zu markieren. Insofern lässt aufhorchen, dass die Spitzen der katholischen und evangelischen Kirche einen solchen veröffentlichten und mit einem kurzfristig anberaumten Pressetermin ihrer Spitzenvertreter in München flankierten. Bestimmt nicht längst ein gewachsenes Beziehungsgeflecht – von der Gemeindeebene bis zum Topmanagement – das Miteinander der ehemals „feindlichen Brüder“?

„Lieber Bruder Marx“, schreibt da der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, antwortet mit „lieber Bruder Bedford-Strohm“. Der bayerische Landesbischof und der Kardinal – beide sind in München ansässig, man pflegt eine „Ökumene der kurzen Wege“. Ein paar Hundert Meter zu Fuß, und man ist beieinander. Beide verstehen sich gut, auch auf zeitgemäße elektronische Kommunikation, wieso da noch Briefe schreiben?
Es geht um ein Signal – in die jeweils eigene Kirche hinein und in die Öffentlichkeit. 2017 soll ein Jahrhundertgedenken an den Beginn der Reformation in Deutschland zum ersten Mal nicht mehr im Zeichen nationaler Vereinnahmung und konfessioneller Abgrenzung stehen. Es geht nicht um Heldenverehrung oder Selbstbeweihräucherung, betont Bedford-Strohm vor Journalisten im Münchner Erzbischöflichen Palais.
Formal handelt es sich bei den zwei Briefen um eine evangelische Einladung zu einem gemeinsamen „Christusfest“, die der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz für die katholische Kirche annimmt. Zugleich werden damit einige bereits verabredete Veranstaltungen für verbindlich erklärt und terminlich konkretisiert.
Der Rat der EKD will im Oktober 2016 gemeinsam mit katholischen deutschen Bischöfen ins Heilige Land pilgern. Damit greift die evangelische Kirche eine Idee des früheren katholischen Bischofskonferenzvorsitzenden, Erzbischof Robert Zollitsch, auf. So soll deutlich werden, dass man gemeinsam unterwegs ist – und wo der gemeinsame Bezugspunkt liegt: in Leben, Tod und Auferstehung des Jesus von Nazareth. Davon will man zusammen Zeugnis geben –  weil eine solche Botschaft im „Doppelpack“ mehr Chancen auf Gehör hat, erklärt Marx.
Bedford-Strohm spricht inzwischen sehr bewusst nicht mehr nur von „Reformationsjubiläum“, dem bisher auf evangelischer Seite bevorzugten Begriff. Genauso verwendet der Landesbischof die neutralere, dafür weniger Feststimmung verbreitende katholische Version „Reformationsgedenken“.
Bei einem gemeinsamen Buß- und Versöhnungsgottesdienst am 11. März in Berlin wolle man sich der „gemeinsamen Schuldgeschichte“ stellen, sagt Marx. Gemeint sind Kirchenspaltung, Gewalt gegen Andersgläubige und Religionskriege im sogenannten konfessionellen Zeitalter. Die zwischen Katholiken und Protestanten gewachsene Partnerschaft ist mittlerweile so stabil, dass sie sich auch durch historisch belastete Gedenktermine nicht mehr erschüttern lässt – diese Botschaft soll vermittelt werden.