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Querdenker

Gerhard Wegner leitete 14 Jahre das Sozialwissenschaftliche Institut der EKD

HANNOVER – Gerhard Wegner nimmt die Micky-Maus-Figur aus dem Regal in seinem Büro. „Sie sitzt da in Denkerpose, wie die Statue des Bildhauers Rodin“, sagt der Direktor des Sozialwissenschaftlichen Institutes (SWI). „Hat meine Frau mir geschenkt. Ist doch originell. Passt irgendwie“, fügt er lachend hinzu. „Das Nachdenken, die Wissenschaft hat uns hier immer umgetrieben.“ Seit mehr als 14 Jahren leitet der promovierte Theologe das Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover. Am 11. Mai wird der 65-Jährige in Berlin in den Ruhestand verabschiedet.

Neben Micky haben auch eine Büste des christlichen Sozialreformers Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888) und ein Kreuz vom Kap der Guten Hoffnung ihren Platz in dem Regal, das Wegner dann räumen wird. Die Ökumene, die Sozialpolitik und die Frage nach der Rolle der Kirche in der Gesellschaft waren Themen in den Jahren, in denen er als streitbarer Querdenker die Arbeit des Institutes an der Nahtstelle zwischen Kirche und Sozialwissenschaften prägte. Wegner führte als Gründungsdirektor das damalige Pastoralsoziologische Institut der hannoverschen Landeskirche und das frühere SWI der EKD zusammen, das vor 50 Jahren in Bochum gegründet worden war.

Als er im Oktober 2004 die Leitung am neuen Standort Hannover übernahm, steckte Deutschland mitten in den Reformen der Agenda 2010. „Die Kritik daran war sehr stark, und die haben wir geteilt. Doch es bestand auch die Notwendigkeit einer Reform“, erinnert er sich. Später erforschte das Institut die Situation von Langzeitarbeitslosen. „Da wurde sehr deutlich, dass sie vor allem Ermutigung brauchen“, sagt Wegner. Bis heute lehnt er deshalb Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger ab und hält Leistungskürzungen für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. „Dadurch rutschen Menschen unter das Existenzminimum. Das darf nicht sein“, sagt Wegner, der seit seiner frühen Jugend SPD-Mitglied ist.
Wegner studierte in Göttingen und Nairobi Theologie und wurde dann Gemeindepastor in Celle und Springe. 1991 wurde er Gründungsgeschäftsführer der kirchlichen Hanns-Lilje-Stiftung, dann Beauftragter der Kirche für die Expo 2000 und später Leiter des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt in der hannoverschen Kirche.

In mehreren Studien hat das Sozialwissenschaftliche Institut deutlich gemacht, wie die evangelische Kirche an gesellschaftlicher Bedeutung verliert. „Ich bin schon manchmal enttäuscht, wie wenig das auslöst“, zieht Wegner Bilanz. „Seid unzufriedener mit eurer Kirche, dazu würde ich gern aufrufen.“ Doch ein Miesmacher ist der Mann mit dem verschmitztem Humor nicht. „Ich sehe auch eine tolle Chance“, ergänzt er: „Die Kirche ist herausgefordert. Sie muss zeigen, was sie kann.“
Im Ruhestand will Wegner einen Teil seiner Ämter behalten. Er ist unter anderem Vorstandsvorsitzender des Niedersächsischen Bundes für freie Erwachsenenbildung und Vorsitzender des Beirates der Landeszentrale für politische Bildung.