Nicht nur im Pride Month zeigt die Landeskirche Berlin-Brandenburg schlesische Oberlausitz (EKBO) ihre queere Seite. Ein Gespräch mit Pfarrerin Julia Daser über #churchpride
Julia Daser, seit 28. Juni läuft das Social-Media-Projekt „EKBO #churchpride“. Worum geht’s?
Julia Daser: In der EKBO gibt es schon immer queeres Leben. Lange wurde das unter dem Vorwand eines heteronormativen christlichen Weltbildes bekämpft oder mindestens versteckt gehalten. Die „Bitte um Vergebung zur Schuld an queeren Menschen“ der Kirchenleitung vom Juli 2021 zeigt den innerkirchlichen Paradigmenwechsel an. Darauf baut „#churchpride“ auf. Im Pride Month will die EKBO ihre queere Seite sichtbar machen, sie ist stolz darauf. Nach wie vor gibt es homophobe und queer[1]feindliche Positionen auch in der EKBO. Sie stellt sich ihnen aber aktiv entgegen. Damit verfolgt sie ihr Ziel, eine diversitätsbewusste und inklusive Kirche zu sein.
Auf welchen Plattformen läuft das Projekt?
Es gibt täglich neue Veröffentlichungen auf dem Instagram-Kanal @gemeinsam_ekbo. Auf der Startseite der Internetpräsenz www.ekbo.de gibt es einen permanenten Link zum Pride Month.
Wen wollen Sie erreichen?
Zum einen wollen wir die kircheninterne Öffentlichkeit erreichen, etwa durch Bildung und Information. Nach außen wollen wir zeigen, was sich in Kirche getan hat und tut.

Viele glauben, dass die evangelische Kirche noch eine Sexualmoral der 1950er Jahre vertritt. Und in manchen Gemeinden ist das sicherlich auch der Fall. Im Großen und Ganzen hat sich jedoch eine Menge gewandelt.
Wer ist an dem Projekt beteiligt?
Es wird von einer Projekt gruppe umgesetzt, die circa zehn Personen umfasst, die in der EKBO arbeiten: in der Öffentlichkeitsarbeit, im Bildungsbereich mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, in kirchenleitenden Positionen.

Sie sprechen von queeren theologischen Perspektiven. Könnten Sie das erläutern?
Ich finde es erst mal grundsätzlich wichtig zu erklären, was „queer“ bedeutet. Die schlichte Erwähnung des Wortes führt ja bei manchen schon zu Schnappatmung. „Queeren“ ist das Hinterfragen von geltenden Normen, von oftmals allzu einfachen Zuschreibungen. Das hat natürlich mit binären geschlechtlichen Zuteilungen zu tun oder mit einer Heteronormativität, aber in meinen Augen geht es noch weiter. Queere Theologie zeigt auf, wo das schon in der Bibel geschieht: Wo Grenzen des Geltenden gesprengt oder überschritten werden, wo sich eine Weite zeigt jenseits von vorgegebenen Regeln. Die Bibel ist weit[1]aus vielfältiger, als die traditionelle Theologie das lehrt.
Wo sehen Sie queere Leuchttürme in der EKBO?
Ich sehe eine evangelische Jugendarbeit in Potsdam, die sich eindeutig als queerfreundlicher Raum präsentiert. Und eine sehr engagierte Evangelische Jugend auf Landesebene, die sich für queere Menschen einsetzt. Ich sehe den Kirchenkreis Berlin-Südost, der ab diesem Sommer einen Queer- Referenten beschäftigt. Jede Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren ist ein Leuchtturm, jede queere Andacht, jede queersensible Seelsorge, jede Gemeinde, die eine Regenbogenfahne aufhängt, und damit nicht nur zeigt: Wir sind ein sicherer Raum für queere Menschen, sondern mehr noch: Zu unserer Gemeinde gehören queere Menschen ganz genauso wie cis- heteronormativ lebende und wir bilden in unserem gemeindlichen Alltag genau das ab.
Und an welchen Stellen sehen Sie kirchliches Versagen?
An einem Tag kam im Rahmen der Kampagne die Kritik auf, dass die EKBO ihre queeren Beruflichen nicht ausreichend schütze und manchmal in gemeindliche Situationen schicke, in denen deren Diskriminierung vorprogrammiert ist. Das ist ein Versagen in der Fürsorgefunktion, die gegenüber den Mitarbeitenden besteht. Und dieses Versagen führt sich dort fort, wo zum Beispiel Kindern und Jugendlichen vermittelt wird, queer zu sein sei sündhaft. Hier zeigt sich Kirche in der brutalen Weise, wie sie eben leider auch sein kann.
Die Fragen stellte Karola Kallweit, Redakteurin “die Kirche”