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Putin-Gegner: “Wir haben einen Kindermörder auf dem Thron”

Der russisch-schweizerische Schriftsteller Michail Schischkin greift in seiner Marbacher Schillerrede Russlands Regierung scharf an. Zugleich erinnert er an die Bedeutung Schillers in dem Land.

Der Autor Michail Schischkin geht hart mit der Regierung Russlands ins Gericht. “Wieder haben wir einen Usurpator und Kindermörder auf dem Thron”, sagte der russisch-schweizerische Schriftsteller mit Blick auf Präsident Wladimir Putin. Er sprach am Sonntag bei seiner Schillerrede im Deutschen Literaturarchiv in Marbach. “Wieder werden Ideen zu Hyänen und treiben mit den Sätzen Scherz.” Mit der Schillerrede wird seit 1999 jährlich an den am 10. November 1759 im baden-württembergischen Marbach geborenen Dichter Friedrich Schiller erinnert.

Nach Schischkins Einschätzung gibt es derzeit keine Opposition mehr in Russland. “Im heutigen Russland sind die Gefängnisse wieder gefüllt, unabhängige Freiheitskämpfer wie Alexej Nawalny werden ermordet.” Er erinnerte zugleich an die Schiller-Rezeption in Russland. Vor allem dessen Theaterstück “Die Räuber” habe Spuren in den Köpfen von Generationen hinterlassen. Aber dort wie auch im deutschen Nationalsozialismus sei Schiller missbraucht worden. “Jeder schuf Schiller nach seinem Bilde.”

Für Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) ist Schischkins Schillerrede ein Signal, dass ungeachtet aktueller Zerwürfnisse der Dialog zwischen den Kulturen weitergeführt werden müsse. Schließlich habe der Schriftsteller einen Literaturpreis für russischsprachige Literatur ins Leben gerufen.

Der 1961 in Moskau geborene Schischkin lebt seit 1995 in der Schweiz. Er ist der einzige Schriftsteller, der die drei wichtigsten Literaturpreise seines Heimatlandes erhielt. Auch international feiert er Erfolge. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion meldet er sich als Kritiker von Russlands Regierungen zu Wort.

Schischkins literarische Werke wie die Romane “Die Eroberung von Ismail” und “Venushaar”, seine Sachbücher sowie seine Essays wie “Ein Buchstabe auf Schnee. Robert Walser, James Joyce, Wladimir Scharow” erschienen in 35 Sprachen. Darüber hinaus publiziert er in deutschsprachigen und internationalen Medien. Schischkin ist unter anderem Mitglied des Deutschschweizer PEN-Zentrums, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und Mitgründer des PEN Berlin.

Als Schillerredner folgt Schischkin auf Literatur-Nobelpreisträger Abdulrazak Gurnah, der 2023 in seinem Vortrag zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte aufgerufen hatte.