Die österreichische Publizistin Anneliese Rohrer legte den Finger in die Wunde: Wie es sein könne, dass nach 20 Jahren des Engagements für Menschenwürde und Toleranz die AfD in Deutschland und die FPÖ in Österreich Erfolge feiern könnten, fragte sie beim Festakt zum Geburtstag des Bündnisses am Dienstagabend in Nürnberg.
Ihre Analyse: Die etablierten Parteien seien starr vor Angst. „Es geht in einer Gesellschaft immer um Mut oder Feigheit“, sagte Roher”. Politiker, aber auch die Medien, hätten in der Vergangenheit nicht genau genug hingesehen und die Lügen von Rechtsextremen nicht oft genug entlarvt. In beiden Ländern hätten sich Politiker unglaubwürdig gemacht, weil sie zunächst jede Zusammenarbeit mit den rechtsextremen Parteien abgelehnt und dann doch ihre Stimmen für ihre Zwecke einkalkuliert hätten.
Einer der folgenreichsten Fehler der Parteien der Mitte sei aber ihre fehlende Kompetenz auf dem Gebiet der sozialen Medien, stellte die Journalistin von „Die Presse“ in Wien fest. Sie forderte „die eigene Arroganz zu überwinden“ und sich im Internet mehr zu engagieren.
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte in seinem Grußwort hervorgehoben, wie wichtig der Kampf „gegen jede Form der Intoleranz“ sei. Es dürfe keinen Platz für extreme Ideologien geben. Andererseits brauche es aber die Toleranz gegenüber dem Andersdenkenden. „Wir müssen einander zuhören und offen für die Erkenntnis bleiben, der andere könnte recht haben“, sagte der Minister, „sonst macht die demokratische Diskussion keinen Sinn“.
Er würdigte beim Festakt im Heimatministerium das „Bayerische Bündnis für Toleranz“ für dessen Engagement für Menschenwürde, Demokratie und ein friedliches Miteinander. Es habe sich als Bindeglied zwischen staatlichen Stellen und der Zivilgesellschaft etabliert, sagte Herrmann. Die freiheitliche Demokratie werde beinahe täglich auf die Probe gestellt. Antisemitismus, Rechtsextremismus, Islamismus, Linksextremismus und Menschenverachtung würden eine große Herausforderung für die Sicherheit des Landes bleiben. Ein klares Bekenntnis aus der Mitte der Gesellschaft zum Einsatz für Respekt und Toleranz werde daher gebraucht.
Der Sprecher des Bündnisses für Toleranz, der bayerische evangelische Landesbischof Christian Kopp, bezeichnete das Bündnis als eine starke, zivilgesellschaftliche Bewegung. „Uns braucht es in Bayern, jetzt ist unsere Zeit“, sagte er. Die über 100 Mitglieder des Bündnisses repräsentierten eine Breite der Gesellschaft, „die eine riesengroße Kraft entfalten kann“.
Kopp erinnerte an den „unfreiwilligen Spendenlauf“ des Bündnisses gegen Rechtsextremismus in Wunsiedel 2014, bei dem die gelaufenen Kilometer eines Rudolf-Heß-Gedenkmarsches in Spenden von Sponsoren für ein Neonazi-Aussteiger-Programm umgewandelt wurden. 2017 habe die bayernweite Aktion „Maibäume der Toleranz“ für Aufmerksamkeit gesorgt. 2023 habe die Antidiskriminierungsstelle „Füreinander in Oberfranken“ ihre Arbeit aufgenommen. Um die Zukunft ihrer zwei Beratungsstellen in Bamberg und Hof werde gebangt, sagte Kopp.
Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern und Gründungsmitglied des Bündnisses für Toleranz, rief in einer Videobotschaft dazu auf, „noch entschlossener für Toleranz, Demokratie und Menschenwürde einzustehen.“ Aufgeben sei „keine Option“, erläuterte Knobloch.
Aktuell gehören dem Bündnis ungefähr 100 bayerische Organisationen aus den unterschiedlichsten Bereichen an: vom Deutschen Gewerkschaftsbund über Bauernverband, Caritas, Diakonie, Landtag, Städtetag bis hin zu mehreren Staatsministerien. Das Bündnis wurde am 3. Juni 2005 in München gegründet. 2007 zog es mit der Projektstelle gegen Rechtsextremismus in das Evangelische Bildungszentrum Bad Alexandersbad ein. (1840/04.06.2025)