Kurz vor den Landtagswahlen in Ostdeutschland läuft Linda Zervakis’ erste Primetime-Reportage. Darin geht sie der Frage nach, wie wir Künstliche Intelligenz einsetzen können, um unsere angeschlagene Demokratie zu stärken.
Seit ProSieben beschloss, dem quotenschwachen Magazin “Zervakis & Opdenhövel. Live” im Dezember 2023 den Stecker zu ziehen, ließ der Sender die Frage offen, wie man die 2021 von der ARD abgeworbene “Tagesschau”-Sprecherin und Moderatorin Linda Zervakis künftig einsetzen will. Abgesehen von vereinzelten Show-Auftritten wie in “The Masked Singer” war sie seitdem vom Bildschirm ihres neuen Arbeitgebers verschwunden. Nun kehrt sie zurück, als Reporterin in einem Primetime-Format, dem weitere folgen sollen.
In der Reportage “Kann KI die Demokratie retten?” reist Zervakis durch Deutschland, um dieser Frage auf den Grund zu gehen, aber sie ist nicht allein. Im Gepäck respektive auf ihrem Tablet hat sie ihre persönliche digitale Assistentin dabei: “KI-Linda” sieht genauso aus wie die Linda aus Fleisch und Blut. Sie kopiert deren Gestik und Spreche perfekt – sie klingt auch genauso streng wie früher in der “Tagesschau”.
Im Film ist zu sehen, wie das digitale Double im Studio entsteht: Keine fünf Minuten Textprobe vor der Kamera reichen aus, und schon ist das “Monster”, wie Zervakis es nennt, “gefüttert”. Sprich: Ihr Video-Avatar ist mit verschiedenen “Gehirnen” im Netz verbunden. Diese Gehirne sind spezielle Formen einer Künstlichen Intelligenz, die Fragen beantworten, Texte schreiben und je nach Situation Gespräche führen kann, bei Bedarf in jedweder Sprache. Gemeinsam ziehen beide Lindas los nach Berlin, um den Avatar an Politikerinnen und Politikern zu testen.
Im Büro der Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) zum Beispiel bittet die Journalistin ihr Alter Ego, der Politikerin eine Frage zu stellen. Wie sie sicherstellen wolle, dass die Maßnahmen ihrer Partei nicht nur die Umwelt, sondern auch die Wirtschaft beflügeln, spult KI-Linda durchaus journalistisch souverän ab. Heraus kommt aus ihr aber auch nicht ernstzunehmender Quatsch wie: “Glauben Sie, dass die deutsche Bürokratie schneller arbeitet als ein Faultier auf Kaffeepause?” Göring-Eckardt nimmt die Frage von der lustigen Seite; die KI habe Linda Zervakis’ Humor “gut adaptiert”.
Man kann das Experiment mit der doppelten Linda als alberne Spielerei abtun, die nicht zuletzt die echte Linda am meisten amüsiert. Andererseits zeigt es sehr anschaulich, was mit dieser Technologie alles schon möglich ist, bis hin zur Manipulation. Linda Zervakis kommt deshalb am Ende ihrer Reise zu dem Schluss, dass “die Maschinen nicht ohne uns Menschen arbeiten sollten”. Und: Dass es eine Technik sei, “die man nicht den Feinden der Demokratie überlassen darf”.
Welche Macht in der Maschine KI steckt, treibt Linda Zervakis auch persönlich um. Im Gespräch mit dem KNA-Mediendienst sagt sie, dass auch sie zu den Menschen gehört habe, die mit einem gewissen Unbehagen auf das Thema KI geschaut hätten: “Ich habe nur die Gefahren gesehen und mich gefragt, wo das alles hinführen soll.” So bereite es ihr Sorge, dass es schon jetzt mit ein paar Klicks ohne Probleme möglich wäre, sie in einer Sendung fließend Russisch sprechen zu lassen oder ihr Gesicht in einen fremden, womöglich kompromittierenden Kontext zu setzen. Sie hoffe aber darauf, dass KI auch dafür eingesetzt werden könne, um Verletzungen an geistigen Eigentumsrechten aufzuspüren.
Im Laufe ihrer Recherchen, fährt Zervakis fort, sei ihr immer klarer geworden, dass es eine Welt ohne KI nicht mehr geben werde. “Deshalb müssen wir uns mit dieser Technologie auseinandersetzen. Auch ich. Ich habe gelernt, dass KI keine Einbahnstraße ist. Man muss sich konstruktiv damit auseinandersetzen, und dann kann KI in sehr vielen Bereichen auch eine echte Hilfe sein.” Mit Blick auf die Politik ist sie davon überzeugt: “Ein kompetenter Umgang mit KI kann durchaus die Demokratie stützen.”
Linda Zervakis’ Reportereinsatz soll nicht der letzte gewesen sein. Es werde auf jeden Fall weitere Reportagen geben, sagt sie – “mit der echten Linda”. KI-Linda ist also raus. Die Frage, ob Künstliche Intelligenz ihr Magazin “Zervakis & Opdenhövel. Live” hätte retten können, lässt die Moderatorin unbeantwortet.