Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat eine klare Haltung zur NS-Geschichte angemahnt. „Staatsräson heißt, ein klares Verhältnis zu haben zur eigenen Geschichte, zum Holocaust, zur Schoah“, sagte er am Donnerstag in Dresden. Es bedeute vor allem auch, „die eigene Schuld zu sehen und die daraus währende Verantwortung für uns Deutsche immer wieder sich auch neu klarzumachen“. Kretschmer nahm an einer Veranstaltung zur Erinnerung an die Pogromnacht vor 85 Jahren teil.
„Der Kampf gegen Antisemitismus ist eine Bürgerpflicht in Deutschland“, sagte Kretschmer: „Wenn wir diese Themen nicht für uns klar haben, werden wir keine gute Zukunft haben.“ Es brauche klare Handlungen und eine gemeinsame Verantwortung.
Kretschmer legte bei der Gedenkveranstaltung am Alten Leipziger Bahnhof in Dresden einen Kranz nieder. Der ehemalige Güterbahnhof war während des Zweiten Weltkrieges Ausgangs- und Durchgangsort für Deportationen in die Konzentrations- und Vernichtungslager. Das Areal verfällt seit Jahrzehnten. Ein Förderkreis setzt sich für den Aufbau eines Lern- und Gedenkortes ein. Kretschmer betonte, es müsse ein würdiger Gedenkort entstehen.
Auch in anderen sächsischen Städten wurde am Donnerstag an die Pogromnacht von 1938 erinnert. In Leipzig fand unter anderem eine Kranzniederlegung an der Gedenkstätte in der Gottschedstraße statt. Für den Abend war ein Gottesdienst in der Thomaskirche geplant. In Chemnitz wurde mit einer Kranzniederlegung am früheren Standort der Synagoge der Opfer der Pogromnacht gedacht und eine Informationsstele eingeweiht.
Ministerpräsident Kretschmer betonte, der 9. November sei ein besonderer Tag in der Geschichte, „der die ganz grundlegenden Fragen von Mitmenschlichkeit, von Werten und Kultur in Deutschland verinnerlicht“. Den Terrorangriff der Hamas auf Israel nannte der Ministerpräsident „ein Pogrom gegen jüdische Bürgerinnen und Bürger, wie er nach 1945 nicht wieder stattgefunden hat“. In Sachsen werde alles getan, damit Menschen jüdischen Glaubens keine Angst haben müssten. An dem Gedenken am Alten Leipziger Bahnhof nahm auch die Holocaust-Überlebende Renate Aris teil.
Für den Nachmittag und Abend waren weitere Veranstaltungen angekündigt, darunter in Dresden am Standort der ehemaligen Synagoge sowie in Chemnitz und Zwickau. In Görlitz sollten eine ökumenische Andacht in der Frauenkirche stattfinden sowie im Kulturforum Görlitzer Synagoge ein Gedenkprogramm. Die Chemnitzer Kunstsammlungen hatten zu einem Podiumsgespräch über jüdisches Leben eingeladen.
Zahlreiche Städte in Deutschland waren im November 1938 Schauplatz der NS-Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung. Jüdische Bürgerinnen und Bürger würden angegriffen und verhaftet, ihre Wohnungen, Geschäfte und Betstuben gezielt zerstört sowie Synagogen in Brand gesteckt. Die Görlitzer Synagoge blieb als einzige ihrer Art in Sachsen erhalten.
Die Hochschule der sächsischen Polizei und die jüdischen Gemeinden in Sachsen wollen ihre seit 2022 bestehende Kooperation verstärken. In der Aus- und Fortbildung sollen laut Hochschule die Aspekte jüdischen Lebens künftig eine größere Rolle spielen.