Theologie zu betreiben, bedeutet für Jürgen Moltmann, sich einzumischen. Daran hält der Hanseat, der zu den bedeutendsten evangelischen Theologen des 20. Jahrhunderts zählt, bis ins hohe Alter fest. Ganz egal, ob es um Ökologie, Menschenrechte oder die Zukunft der Kirche geht. Am 8. April wird der Theologieprofessor 90 Jahre alt.
Krieg und Gefangenschaft haben den 1926 in Hamburg geborenen Theologen geprägt. Im Zweiten Weltkrieg erlebte er als junger Flakhelfer den Tod eines Schulfreundes aus unmittelbarer Nähe. „In dieser Nacht habe ich zum ersten Mal in meinem Leben nach Gott geschrien und mein Leben in Gottes Hände gelegt“, schrieb er später in seiner Autobiografie. In britischer Kriegsgefangenschaft beschäftigte sich Moltmann, der aus einer atheistischen Lehrerfamilie stammt, intensiv mit der Bibel. Über seine Zeit in dem Studien-Gefangenenlager Norton Camp sagte er einmal, er habe nie mehr in seinem Leben so intensiv Theologie erlebt wie in den zwei Jahren in Kriegsgefangenschaft.
Bekannt wurde Moltmann durch seine „Theologie der Hoffnung“, die er 1964 veröffentlichte. In dem Buch macht er – inspiriert durch „das Prinzip Hoffnung“ des jüdischen Philosophen Ernst Bloch – die christliche Hoffnung für die Erneuerung von Kirche und Gesellschaft fruchtbar. „Wer auf Christus hofft, kann sich nicht mehr abfinden mit der gegebenen Wirklichkeit, sondern beginnt an ihr zu leiden, ihr zu widersprechen“, schreibt Moltmann.
Das Werk, das in mehrere Sprachen übersetzt wurde, traf die Fragen der Zeit. Christlicher Glaube, so die Überzeugung Moltmanns, hat stets gesellschaftliche Relevanz. Während des Prager Frühlings nahm der Theologe in der damaligen Tschechoslowakei am christlich-marxistischen Dialog teil. Nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center 2001 in den USA geißelte er den dabei zum Ausdruck kommenden lebensvernichtenden Nihilismus. Scharf kritisierte er im vergangenen Jahr die Hinrichtung der US-Amerikanerin Kelly Gissendaner, mit der er mehrere Jahre lang eine Brieffreundschaft unterhalten hatte.
Moltmann äußert sich bis heute zur Ökologie, engagiert sich in jüdisch-christlichen Gesprächen und in der Ökumene. In seinem Buch „Der Gekreuzigte Gott“ entfaltete er 1972 eine Theologie nach Auschwitz und fragte nach der Bedeutung des Todes Christi für die Gegenwart. 2010 veröffentlichte er – 46 Jahre nach der „Theologie der Hoffnung“ – seine „Ethik der Hoffnung“. Darin beschreibt er die Grundlinien des ethischen Handelns, das für sein Leben leitend war und ist. Noch mit knapp 90 reiste er Anfang dieses Jahres zum Weltkirchenrat, wo er für mehr Engagement der Christen in dieser Welt warb.
Als Professor für Dogmengeschichte arbeitete der Theologieprofessor zunächst an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal, ehe er 1963 nach Bonn berufen wurde. Von 1967 bis zu seiner Emeritierung 1994 lehrte er in Tübingen, wo er bis heute lebt.
Moltmann ist mit der feministischen Theologin Elisabeth Moltmann-Wendel verheiratet und hat vier Kinder. „Meine theologische Tugend“, hat Moltmann einmal gesagt, „war nicht Demut, sondern nur die Neugier und Phantasie für das Reich Gottes“.
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Phantasie für das Reich Gottes
Seine „Theologie der Hoffnung“, in der er ein engagiertes und widerständiges Christentum fordert, hat Jürgen Moltmann berühmt gemacht. Bis heute nimmt er am politischen Diskurs teil. Am 8. April wird er 90 Jahre alt
© epd-bild / Gerhard Bäuerle