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Pastor V. und die “Kleinen Brüder vom Kreuz”

Der evangelische Pastor V. (1930-2011) war ursprünglich Maschinenschlosser und machte dann eine theologische Ausbildung an der Evangelistenschule Johanneum in Wuppertal. Die längste Zeit seines Berufslebens war er als Pastor und Evangelist bei den Missionarischen Diensten der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers tätig, der größten evangelischen Landeskirche in Deutschland. Weggenossen beschreiben ihn als charismatisch und bescheinigen ihm eine besondere Gabe darin, junge Menschen für den christlichen Glauben zu gewinnen. Seine Bücher und Kassetten prägten weit über Niedersachsen hinaus viele Menschen vor allem aus dem pietistisch frommen Umfeld.

Eine am Dienstag veröffentlichte Untersuchung einer unabhängigen Aufarbeitungskommission macht deutlich, wie der verheiratete Familienvater dabei auch Abhängigkeitsstrukturen schuf und Machtmissbrauch betrieb. Laut der Studie verübte er Missbrauch an Minderjährigen und machte sich damit strafbar.

In den 1960er- und 1970er-Jahren sammelte V. vorwiegend junge Männer um sich. 1977 gründete er die Bruderschaft „Kleine Brüder vom Kreuz“. Ab Sommer 1978 war ein Gutshaus bei Hermannsburg deren Zentrum. Dort lebten zunächst die Familie des Pastors und einige damals ehelos lebende Brüder. Laut der aktuellen Studie und eines von der Nachfolge-Organisation der Bruderschaft in Auftrag gegebenen Berichtes aus dem Jahr 2020, wertete Vollmer Frauen systematisch ab.

Erst seit den 1990er-Jahren wurden auch Frauen in die Bruderschaft aufgenommen, die sich 2011 in „Evangelische Geschwisterschaft“ umbenannte. Der Hof in Hermannsburg wurde noch bis 2007 als Tagungszentrum geführt. Die Geschwisterschaft mit heute rund 70 Mitgliedern aus verschiedenen Berufen lebt an unterschiedlichen Orten. Ihr gehören oder gehörten auch leitenden Theologen aus der Landeskirche an. Die Gemeinschaft hatte eine erste Studie zu V. in Auftrag gegeben und sieht die Anfangszeiten heute kritisch.