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Ökumene geht von unten

Kurz vor Ende des Jubiläumsjahres trafen sich Spitzenvertreter von evangelischer und katholischer Kirche noch einmal zum Austausch und einem Fest mit Gläubigen beider Konfessionen

Friedrich Stark

BOCHUM – „Gott, um Himmels willen, stell uns die Welt auf den Kopf“ – mit diesem Gebet leitete die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, das Ökumenische Fest „Wie im Himmel so auf Erden“ in Bochum ein. Christen glaubten und suchten den „heruntergekommenen Gott“, sagte die leitende Geistliche, die gemeinsam mit Ruhrbischof Franz-Josef Oberbeck zum Auftakt der Veranstaltung vor rund 850 Teilnehmerinnen und Teilnehmern im RuhrCongress Bochum das Eröffnungsgebet gestaltete. Zu dem ökumenischen Treffen kurz vor Abschluss des Reformationsjubiläumsjahres hatten die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Deutsche Bischofskonferenz gemeinsam mit dem Deutschen Evangelischen Kirchentag (DEKT) und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) eingeladen.
In seiner Begrüßung wies der Präsident des ZdK, Thomas Sternberg, auf die gute Atmosphäre in der gegenwärtigen Ökumene hin.  Gleichzeitig rief er dazu auf, Ökumene „von unten“, aus den Gemeinden heraus, voranzutreiben. „Die Trennung der Konfessionen wird nicht mehr verstanden“, sagte Sternberg.

„Christus lädt ein, nicht die Kirchen“

Noch weiter ging Bundestagspräsident Norbert Lammert in seinem Impulsvortrag zum Thema „Christsein im öffentlichen Raum“. Der CDU-Politiker und katholische Christ äußerte die Befürchtung, dass sich die Kirchenleitungen im derzeitigen „angenehmen Zustand“ der Ökumene einrichten und ihre Bemühungen zur völligen Überwindung der Spaltung einstellen könnten. „Ich kann keinen Glaubensunterschied erkennen, nur eine Selbstbehauptung der Institutionen“, sagte Lammert. Das sei für engagierte Christen eine Enttäuschung und ein Ärgernis, denn: „Christus lädt ein, nicht die Kirchen.“ Die als Ergebnis der Ökumene ausgerufene „versöhnte Verschiedenheit“ sei daher nichts anderes als eine „versteckte Kapitulationserklärung“.
Spitzenvertreter beider Kirchen wiesen diese Kritik als überzogen zurück. Nach Einschätzung von Kardinal Marx sind beide Konfessionen über die Kirchenspaltung längst hinaus, auch wenn es noch Unterschiede gebe, weshalb man weiter aufeinander zugehen müsse. Lammert beschreibe aber „nicht die Wirklichkeit in der wir leben. Wir sind ein Leib“, sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz.
Der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm nannte Lammerts Kritik ein „Missverständnis“ und betonte: „Wir sind eine Weltkirche.“ Es gebe eine „ökumenische Dynamik“, die besonders in den Gemeinden präsent sei. Die Präses der Synode der EKD, Irmgard Schwaetzer, wies darauf hin, dass zum Begriff der „versöhnten Verschiedenheit“ die „Einheit“ gehöre.
Unterstützt wurde Lammert von dem Oberbürgermeister von Solingen, Tim-Oliver Kurzbach, der darauf verwies, dass die Stimme der Christinnen und Christen  in der Gesellschaft „eher schwächer als stärker“ würde. „Wie viel  Zeit wollen wir uns noch lassen?“, fragte der engagierte Katholik Kurzbach, und weiter: „Da draußen ist die Welt, sie dreht sich!“
Beim Abschlussgottesdienst vor dem Deutschen Bergbaumuse­um hielten Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und Kardinal Reinhard Marx die Predigt im Dialog. Bedford-Strohm wünschte sich, dass der Weg der beiden Konfessionen weiter aufeinander zuführt. „Wir leben aus der Kraft der Gemeinschaft. Weil Christus für uns auferstanden ist, kann uns die Sorge um die Zukunft nicht die Hoffnung nehmen.“
Zur weltweiten Verantwortung aller Christen sagte Bedford-Strohm: „Wir haben als Kirche nicht die besseren politischen Konzepte, aber“, und Kardinal Marx vervollständigte: „Jede Tat, die für den anderen getan wird, wird eingehen in die Welt Gottes.“ leg/FHR