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Nun freue dich!

Über den Predigttext am 4. Sonntag im Advent: Philipper 4,4-7

Karl-Heinz Krull

Predigttext am 4. Sonntag im Advent: Philipper 4,4-7
4 Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch!

5 Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe!

6 Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!

7 Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Es war zwei Tage vor Heiligabend, fast auf den Tag genau vor 26 Jahren: Das Brandenburger Tor, Symbol der Teilung, wurde wieder geöffnet. Was Jahrzehnte undenkbar war, war plötzlich möglich geworden: Menschen gingen durch das Tor hindurch. Der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Walter Momper, beendete seine Rede mit einem Satz, der um die Welt ging: „Berlin, nun freue dich!“

„Gemachte“ Freude wirkt peinlich

„Nun freue dich!“ – kann man das überhaupt so sagen, so zur Freude auffordern, Freude befehlen? Freude, die nicht von Herzen kommt, ist nicht wirklich Freude. Die Aufforderung nach einer misslungenen Überraschung „Nun freu dich doch mal“ klingt eher gequält. Und ‚gemachte‘ Freude wirkt doch meist eher peinlich.
Die Aufforderung „Berlin, nun freue dich!“ traf dennoch den Nerv, weil sie in die Freude der Menschen hinein gesprochen war. Es war ein Satz, der den Menschen aus der Seele sprach. Die Mauer war gefallen, Teilung und Trennung überwunden. Gerade haben wir uns – 25 Jahren nach der Wiedervereinigung – daran erinnert.
„Freuet euch!“, so fordert auch Paulus die Menschen in seinem Brief an die Gemeinden in Philippi zur Freude auf; und er unterstreicht es noch einmal: „Und abermals sage ich: Freuet euch!“. Ob er mit seiner Aufforderung auch den Menschen aus der Seele sprach, ob sie hineintraf in die Freude der Menschen dort in Philippi? Und noch wichtiger für uns die Frage: Spricht sie uns aus der Seele, trifft diese Aufforderung hinein in unsere Freude, so dass wir zustimmen und einstimmen?
Es ist ein kurzer Satz nur, der Paulus Grund gibt für diese Freude: „Der Herr ist nahe.“ Wenn wir diese Worte im Advent hören, so kurz vor den Weihnachtstagen, dann hören wir sie als Vorgeschmack der Geschichte, um die sich in wenigen Tagen wieder alles drehen wird: „Siehe, ich verkündige euch eine große Freude, die allem Volk widerfahren wird“ – so wird es der Engel den Hirten auf dem Feld bei Bethlehem verkündigen. Wie gut! Die Freude, um die es hier geht, die brauchen wir nicht selbst zu ‚machen‘; diese Freude kommt auf uns zu. „Der Herr ist nahe“.
Ein anderer Einwand gegen die Freude wiegt wohl noch schwerer: Es gibt einfach viel zu viel, das dieser Freude entgegensteht in dieser Welt. Und manchmal steht ihr auch zu viel entgegen, durch das, was uns persönlich widerfährt. Ich habe einmal ein Gebet gelesen, wo jemand sagt: „Gott, komm erst mal in meine Haut und mach das an Kummer, Sorge, Leid und Not durch, was Menschen auf dieser Erde durchmachen müssen.“ Genau das geschieht: Gott wird Mensch und kommt den Menschen nah, macht ihre Geschichten durch. Gott kommt an die Seite derer, denen die Freude im Halse stecken bleibt. Gott wird Mensch und es wird erzählt, dass ein Herrscher, der über Leichen geht, ihn und seine Familie in die Flucht treibt. Gott wird Mensch und erlebt Ablehnung, Anfeindung und am Ende den Tod.

Diese Welt zur Freude aufrufen

Doch all das hat nicht das letzte Wort – sondern das Leben. Deshalb wagt es Paulus, in dieser Welt zur Freude aufzurufen „Freuet euch“ – „Der Herr ist nahe.“
Im Kommen Gottes wird diese Welt verwandelt werden. Und Paulus lädt uns ein, direkt bei uns selbst mit dieser Verwandlung anzufangen: „Eure Güte lasst kund sein allen Menschen.“ Wie Gott auf uns zukommt voller Güte und Liebe, gehen wir auf die zu, die uns begegnen. Wir werden anderen zur Freude, gleichgültig wer sie sind und woher sie kommen.
Ich wünsche uns, dass die Botschaft dieser Tage uns in unserer Seele trifft, dort, wo es uns zutiefst angeht und wir so einstimmen in das große „Freuet euch!“.