Berlin – Die Deutsche Welthungerhilfe sieht noch große Defizite bei der Bekämpfung des weltweiten Hungers. Es seien zwar wichtige Erfolge erzielt worden. Die Anstrengungen in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft müssten aber noch entschieden gesteigert werden, wenn bis zum Jahr 2030 das „Null Hunger“-Ziel der Vereinten Nationen erreicht werden soll, sagte die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, in Berlin bei der Vorstellung des neuen Welthunger-Index (WHI).
Noch immer seien weltweit 795 Millionen Menschen unterernährt, sagte Dieckmann. In 50 Ländern sei die Hungersituation „ernst oder sehr ernst“. Bewaffnete Konflikte seien oft die Hauptursache dafür. Die meisten Sorgen bereiten weiterhin afrikanische Staaten südlich der Sahara sowie Südasien.
Mit Blick auf Fluchtbewegungen aus Hunger- und Kriegsregionen sowie als Folge des Klimawandels sagte Dieckmann, „die Menschen werden sich nicht damit abfinden, auf Dauer benachteiligt zu sein“. Dabei gebe es Chancen, die Lebensbedingungen vor Ort zu verbessern, „so dass sie sich nicht auf den Weg machen“. Dieckmann begrüßte, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) um Investitionen in Afrika wirbt. „Wir brauchen für Afrika mehr Investitionen“, vor allem in die Landwirtschaft, sagte die Chefin der Welthungerhilfe im Südwestrundfunk.
Laut dem neuen Welthunger-Index stagniert in keiner Region der Welt der Kampf gegen den Hunger. Allerdings gebe es große Unterschiede, teilweise auch innerhalb von Staaten wie etwa in Mexiko und Jordanien, sagte Dieckmann. Der Grund für die gegenüber dem Vorjahr nahezu unverändert hohe absolute Zahl hungernder Menschen ist das weltweite Bevölkerungswachstum.
Laut dem neuen Index ist der „Hunger-Wert“ seit der Jahrtausendwende um 29 Prozent gefallen. Untersucht wurden aktuell 118 Staaten. Ausgenommen waren einige einkommensstarke Industriestaaten, darunter Deutschland. Länder wie Ruanda und Myanmar konnten den Angaben zufolge ihre Werte seit dem Jahr 2000 um mindestens die Hälfte verringern. In den Index fließen Faktoren wie Unterernährung, die Wachstumsverzögerung bei Kindern sowie die Kindersterblichkeit ein.
Die meisten der sieben Länder mit den höchsten WHI-Werten in der Kategorie „sehr ernst“ liegen südlich der Sahara: Sierra Leone, Sambia, Tschad, Zentralafrikanische Republik und Madagaskar. Hinzu kommen Haiti, das jetzt durch den jüngsten Wirbelsturm zusätzlich schwer getroffen wurde, sowie Jemen. Ihre WHI-Werte reichen auf der 100-Punkte-Skala von 35 bis 46,1 Punkte.
Aufgrund unvollständiger Daten konnte der WHI-Wert in diesem Jahr für 13 Länder nicht errechnet werden. Bei Betrachtung der vorliegenden Daten und Berichte sei aber davon auszugehen, dass die Lage in zehn dieser Länder Anlass zu ernster Besorgnis gebe, sagte Klaus von Grebmer vom International Food Policy Research Institute in Washington (IFPRI). Dabei handelt es sich um Syrien, Burundi, die Demokratische Republik Kongo, Eritrea, die Komoren, Libyen, Papua-Neuguinea, Somalia, den Sudan und den Südsudan. Das IFPRI hat gemeinsam mit der Welthungerhilfe und der Hilfsorganisation Concern Worldwide den diesjährigen Bericht erstellt.
In den vergangenen 16 Jahren konnten laut Hunger-Index 22 Länder ihre Werte um mindestens 50 Prozent reduzieren. Die drei Länder in den Kategorien „ernst“ und „sehr ernst“, die ihre Hunger-Werte am stärksten senken konnten, waren Ruanda, Kambodscha und Myanmar. Alle drei Länder waren in den vergangenen Jahrzehnten von Bürgerkriegen und politischer Instabilität betroffen. „Die Verbesserungen könnten also zum Teil ein Resultat stabilerer Verhältnisse sein“, sagte von Grebmer. Der WHI ist der elfte in einer Reihe jährlicher Berichte zur Hungersituation weltweit.epd
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„Null Hunger“-Ziel noch fern
Hilfsorganisation verzeichnet erste Erfolge im Kampf gegen den Hunger weltweit. Aber noch immer sind 795 Millionen Menschen unterernährt. Afrika und Südasien bereiten meiste Sorgen
