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NS-Widerstandskämpfer Nikolaus Groß inspiriert noch heute

Vor 125 Jahren wurde der Bergmann, Journalist und katholische Arbeiterführer Nikolaus Groß in Hattingen-Niederwenigern geboren. Dort erinnert ein Museum an ihn, um das sich der Verein “Nikolaus Groß Niederwenigern” kümmert. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) spricht Vorstandsmitglied Stefan Hülsdell über lebendige Erinnerungskultur, die weit über das Ruhrbistum hinausreichende Bedeutung des 2001 selig gesprochenen Widerstandskämpfers und die Aktualität von Groß’ Gedanken.

KNA: Herr Hülsdell, im Bistum Essen wird es keine großen Geburtstagsfeierlichkeiten geben, nur eine Festmesse zum 22. Jahrestag der Seligsprechung am 7. Oktober. Gerät Nikolaus Groß allmählich in Vergessenheit?

Hülsdell: Im Gegenteil! Das Interesse an Nikolaus Groß ist nach wie vor ungebrochen, gefühlt steigt es aktuell vielleicht sogar wieder an. Das könnte auch mit den Demokratie-Diskussionen in der deutschen Politik zu tun haben. Die Aufgabe unseres Vereins ist es, die Erinnerung und das Interesse an Nikolaus Groß aufrecht zu halten.

Diese Aufgabe nehmen wir sehr ernst und setzen sie bestmöglich mit unseren Möglichkeiten und mit der Hilfe von Ehrenamtlichen um. Der Diözesanverband der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) Münster hat kürzlich zu einem Vernetzungstreffen geladen. An diesem Treffen nahmen interessierte Menschen aus ganz Nordrhein-Westfalen teil – auch hier wird die Erinnerung also hochgehalten.

KNA: Wer kommt zu Ihnen ins Museum?

Hülsdell: Zu unseren regulären Öffnungszeiten begrüßen wir hauptsächlich interessierte Einzelpersonen. Zusätzlich bieten wir ganzjährig Führungen für Gruppen durch das Museum an. Diese Gruppen sind oft Verbände der KAB oder auch Gruppen aus den Gemeinden der Umgebung. Besonders freuen wir uns über Schulklassen aus der Umgebung. Hier suchen wir aktiv den Kontakt in die 9. und 10. Klassen der Gymnasien im Essener Süden und in Hattingen. Außerdem unterstützen wir immer mal wieder Studenten/innen bei Recherche-Arbeiten für ihr Studium.

Und noch eine Sache ist uns wichtig: Wir möchten das Haus zu einem lebendigen Ort machen und öffnen es gerne für Vorstandssitzungen anderer Gruppen, für den Unterricht von Kommunionskindern, für Trauergespräche, für die Sprechstunde des Pastors und vieles mehr. Jeder, der Interesse hat, ist hier also herzlich willkommen.

KNA: Gibt es besondere Schätze und Exponate im Nikolaus-Groß-Haus?

Hülsdell: Der größte Schatz ist sicherlich die Information über das Leben und Engagement dieses beeindruckenden Familienvaters, Bergmanns, Journalisten und Gewerkschafters. Die Diskussion mit unseren Besuchern ist uns ganz wichtig. Denn es geht nicht darum, materielle Schätze zu präsentieren, sondern Information und Gedächtnis zu vermitteln und damit lebendig zu halten. Auf besonderes Interesse stößt dabei immer wieder der Abdruck des Abschiedsbriefes vor seiner Hinrichtung in Berlin-Plötzensee oder auch die Eheringe von Nikolaus und Elisabeth Groß. Auch an sie erinnern wir.

KNA: Wie bringen Ihr Haus und der Verein den Besuchern den Menschen Nikolaus Groß näher?

Hülsdell: Wir möchten den Besuchern die Möglichkeit geben, möglichst viel über Nikolaus Groß selbst und sein Leben zu erfahren. Egal ob Jugend und Familie in Niederwenigern, seine berufliche Entwicklung, seine politische Ausrichtung bis hin zu seiner Zeit in Berlin. Jeder soll hier zu seinen eigenen Interessen und Schwerpunkten Informationen finden. Aktuell arbeiten wir an einer medialen Ausstattung des Museums und möchten zeitnah kurze Filme oder auch Hörspiele über Nikolaus Groß im Museum anbieten.

KNA: Was fasziniert Menschen heute noch an diesem Seligen aus dem Ruhrpott?

Hülsdell: Nikolaus Groß hat Haltung in schwierigsten Zeiten gezeigt. Er hatte eine ganz “normale” Jugend im Ruhrgebiet und wurde fast folgerichtig zunächst Jungarbeiter im Blechwalz- und Röhrenwerk, kurz danach Kohlehauer. Dann hat er sich persönlich immer weiter entwickelt und schon als 19-Jähriger als Jungsekretär des Vereins Christlicher Bergarbeiter Deutschlands und später auch als Redakteur Verantwortung übernommen. Das verdient größten Respekt.

KNA: Wie kamen Sie dazu, sich im Verein zu engagieren?

Hülsdell: Genau das eben Genannte sind die Punkte, die mich persönlich zum Engagement in unserem Verein gebracht haben: Haltung und persönliche Weiterentwicklung. Ich habe die ersten 25 Jahre meines Lebens in Essen-Werden verbracht und erst nach meinem Umzug nach Niederwenigern von Nikolaus Groß erfahren. Das ist sehr schade. Ich möchte mich dafür einsetzen, dass junge Menschen weit über Essen hinaus etwas über diesen in vielen Aspekten vorbildlichen Menschen erfahren.

KNA: Welche Spuren hat Nikolaus Groß im Bistum Essen und hinaus hinterlassen?

Hülsdell: Der Name Nikolaus Groß ist nach wie vor sehr präsent. In Niederwenigern gibt es das Museum und den Dom, dazu eine nach ihm benannte Straße und die Nikolaus-Groß-Grundschule. Nicht nur im Bistum Essen, sondern deutschlandweit sind Straßen, Heime, Schulen und Kitas nach ihm benannt. Unser Verein arbeitet daran, diese Orte miteinander zu vernetzen und sie sowohl im Museum als auch auf unserer Homepage zu präsentieren.

Außerdem gibt es da noch die Nikolaus-Groß-Stiftung. Als Teil der internationalen christlichen Arbeiterbewegung setzt sie sich für gerechtere und menschlichere Arbeitsbedingungen in der ganzen Welt ein.

KNA: Nikolaus Groß hatte sieben Kinder. Haben Sie Kontakt zu seinen Nachkommen?

Hülsdell: Unser Verein ist sehr eng mit Thomas Groß verbunden, einem Enkel von Nikolaus Groß. Sein Vater Bernhard Groß war bis zu seinem Tod 2019 die treibende Kraft der Familie. Und wir sind Thomas Groß nun sehr dankbar, dass er diese Rolle im Verein übernommen hat. Wir sind mit ihm in einem dauerhaften Austausch. Dieser Kontakt ist sehr, sehr wertvoll. Denn uns ist wichtig, dass die Gedanken der Familie Groß auch heute noch in die Vereinsarbeit einfließen.