Der Anschlag vom 5. September überschattet das geplante Programm des Münchner NS-Dokumentationszentrum. Das Opening zu “Wir sind hier” für Dienstagabend ist abgesagt.
Die geplante Eröffnungsfeier am Dienstagabend zur neuen Kunstinstallation “Wir sind hier” von Talya Feldman im NS-Dokumentationszentrum München ist abgesagt worden. Aufgrund der Ereignisse vom 5. September könne das geplante Opening nicht stattfinden, teilte die Einrichtung mit. Die Schau selbst startet wie angekündigt am 11. September und dauert bis 1. Dezember. – Feldman ist eine US-amerikanische Medienkünstlerin. Sie gehört zu den Überlebenden des Terroranschlags auf die Synagoge von Halle im Oktober 2019.
Wie die “Süddeutsche Zeitung” auf ihrer Internetseite berichtet, hätten zum Auftakt neben der Leiterin des NS-Dokumentationszentrums, Mirjam Zadoff, auch die Künstlerin sowie eine Vertreterin oder ein Vertreter der “Initiative München OEZ Erinnern” sprechen sollen. Der rassistische Anschlag am Olympia-Einkaufszentrum vom 22. Juli 2016, an dem der damals 18 Jahre alte rechtsextreme David S. neun Menschen ermordete, ist Teil der Video-Installation.
Am Vormittag des 5. September hatte ein 18-jähriger Österreicher mit einer Langwaffe zuerst zwei Schüsse auf die Fassade des NS-Dokumentationszentrums abgefeuert und danach auf das benachbarte israelische Generalkonsulat. Polizisten töteten ihn in einem Schusswechsel. Die Ermittler gehen von einem islamistischen Hintergrund aus.
“Wir erleben diesen Gewaltakt als einen Angriff auf unsere Arbeit für eine offene, vielfältige Münchner Stadtgesellschaft, für jüdisches Leben und eine kritische Erinnerungskultur”, heißt es auf der Internetseite des Zentrums. Ein solches Ereignis hinterlasse Unsicherheit, Angst und sichtbare wie unsichtbare Wunden. Antisemitismus und Rassismus dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Jede Form von Hass sei eine Bedrohung für die demokratische Gesellschaft.
Im Rahmen des Kunstprojekts sind Video- und Tonmaterial aus dem gleichnamigen digitalen Projekt von Feldman zu sehen. Dazu gehören Stimmen und Perspektiven von Überlebenden sowie von Angehörigen von Opfern rassistischer und antisemitischer Gewalt. Sie fordern Erinnerungsorte im öffentlichen Raum. Als Möglichkeiten werden unter anderem angeführt, Straßen umzubenennen und Denkmäler zu gestalten.
Die Überlebenden, Familien und Initiativen kämpften für das Recht, gehört und gesehen zu werden, heißt es. Sie wollten Räume des aktiven Gedenkens. Zugleich verlangten sie, dass sich in diesem Zusammenhang in Politik, Gesellschaft, Justiz und Strafverfolgungsbehörden etwas ändern müsse. Das lebendige Archiv bietet den Angaben zufolge einen Überblick über rechten Terror und rassistisch motivierte Polizeigewalt in der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen DDR in den vergangenen 40 Jahren. Darunter fänden sich auch Fälle, die noch nicht von staatlichen Behörden als Hassverbrechen anerkannt worden seien.