NRW-Justizminister Benjamin Limbach ist nicht mehr katholisch. Aber er wollte nicht einfach aus der Kirche austreten. Er erklärt, warum die altkatholische Kirche ihm einen passenden Weg bietet.
NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) ist von der katholischen Kirche “immer weiter enttäuscht”. Deshalb hat der Grünen-Politiker die Konfession gewechselt und ist jetzt Altkatholik. Der “Rheinischen Post” sagte er am Donnerstag, er habe zunehmend den Eindruck, dass sich im Pontifikat von Papst Franziskus viel zu wenig ändere.
Als Beispiel nannte er den Umgang der katholischen Kirche mit dem sexuellen Kindesmissbrauch. “Hierzulande habe ich den Eindruck, dass die Ursachen strukturell sind und mit dem Machtsystem der katholischen Kirche zu tun haben”, sagte er. “Dann war irgendwann für mich der Punkt erreicht, an dem ich mir sagte, dass ich das einfach nicht mehr mittragen möchte.”
Limbach erklärte, er habe nicht konfessionslos sein wollen. Er sei im rheinischen Katholizismus groß geworden, vom Verstand her Protestant und vom Gefühl her Katholik. “Genau darum hat es auch so lange gedauert, bis ich mich zu diesem Schritt entschieden habe. Die altkatholische Kirche ist für mich das Beste aus beiden Glaubenswelten.”
Limbach sagte, er habe den liberalen rheinischen Katholizismus genossen: “Bonn war immer etwas entfernt von Köln, und so waren die Regeln bei uns auch immer etwas lockerer. Das ist für mich ein Gefühl von Heimat. Und diese Heimat wollte ich nicht verlieren.”
Limbach erklärte, er habe zu Beginn des Pontifikats von Papst Franziskus die Hoffnung gehabt, dass die katholische Kirche sich in bestimmten Punkten bewege. Konkret benannte er das Überdenken von Strukturen, Freiheiten für Ortskirchen, einen Zugang zu Weiheämtern auch für Frauen und ein anderes Verhalten im Umgang mit queeren Menschen. Doch Reformen kämen in der katholischen Kirche viel zu langsam.
Mit dem englischen Wort queer bezeichnen sich Menschen, die nicht heterosexuell sind oder deren geschlechtliche Identität nicht mit gesellschaftlichen Rollenbildern übereinstimmt. Unter ihnen sind Personen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung die wohl größte Gruppe.
“Die Kirche muss nicht jedem Trend hinterherrennen. Aber ich glaube, dass die römisch-katholische Amtskirche ihr Glaubensvolk verpasst. Kirche und Gläubige bewegen sich in sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten.” Diese Entwicklung schmerze ihn, so Limbach, weil mit den Mitgliederverlusten in der evangelischen und der katholischen Kirche in der Gesellschaft etwas verloren gehe.
In der altkatholischen Kirche seien Bischöfe nicht allein irgendeiner höheren Instanz verantwortlich, sondern auch dem Kirchenvolk, sagte Limbach. Das sei eine ganz andere Form von Verantwortung als bei einem Erzbischof, der vom Papst eingesetzt werde. Der in Bonn geborene Limbach bilanziert, im Erzbistum Köln sei durch die fehlende päpstliche Entscheidung über den Erzbischof eine schwierige Situation entstanden: “Mein Eindruck von außen ist, dass ein Dialog zwischen Erzbischof und vielen Gläubigen kaum noch möglich ist.”
Die altkatholischen Kirchen entstanden Ende des 19. Jahrhunderts durch Abspaltungen von der römisch-katholischen Kirche. Dieser Schritt geschah aus Protest gegen wesentliche Beschlüsse des Ersten Vatikanischen Konzils (1869/70). Dort wurde verbindlich die päpstliche Unfehlbarkeit in Fragen von Glauben und Sitte verkündet. Zudem schrieb das Konzil die oberste Leitungsgewalt des Papstes in der Kirche fest. In der altkatholischen Kirche wird der Bischof von einem Kirchenparlament, einer Synode, gewählt. Anders als in der römisch-katholischen Kirche dürfen Priester heiraten. Seit 1994 sind in der altkatholischen Kirche in Deutschland auch Frauen zum Priesteramt zugelassen.