Rund 44000 Kirchen und Kapellen gibt es in Deutschland. Ungefähr 1900 evangelische Gotteshäuser finden sich im Bereich der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg schlesische Oberlausitz (EKBO), die meisten von ihnen stehen unter Denkmalschutz. Dieser hohen Dichte an Kirchenbauten steht eine stetig geringer werdende Zahl an Gemeindegliedern – in der EKBO sind es gegenwärtig 730000 – gegenüber. Das zeigt sich insbesondere auf dem Land: Etwa 150 Dorfkirchen in Brandenburg werden kaum noch genutzt.
Es ist nicht schönzureden: Die Zahl der verwaisten Kirchengebäude ohne Gemeinde steigt. Für eine rein gottesdienstliche Nutzung werden immer weniger Kirchen gebraucht, und immer weniger Gemeinden können alle ihre Gotteshäuser unterhalten. Nehmen wir also Abschied von der Kirche im Dorf?
Fördervereine setzen sich für Erhalt des Kirchengebäudes ein
Gott sei Dank wünschen sich die meisten Menschen – Kirchenmitglieder oder nicht –, dass genau „ihre“ Kirche eben doch „im Dorf bleibt“. Davon zeugen zum Beispiel die vielen Baufördervereine. In fast jedem Ort engagieren sich Menschen in einem solchen Verein. Sie spüren, dass ihre Kirche mehr ist als ein Gottesdienstort oder ein Baudenkmal. Sie spüren, dass ihre Kirche Heimat bedeutet und Verbundenheit mit anderen Menschen über Generationen hinweg. Dass die oft historischen Gebäude Raum geben für Gemeinschaft, für geteilte Freude, für Ruhe, Trost und Kraft.
Und so sind schönster Kreativität Tür und Tor geöffnet: Überall in Deutschland gibt es Initiativen für und gute Beispiele von Umbauten, Ein- und Anbauten, mit denen Gemeinden ihren Gebäudeschatz durch eine einladende Haltung für eine breite Nutzung öffnen und damit erhalten. Fast immer bleiben Gottesdienste und Andachten gewünscht und möglich.
Ideen gibt es viele, das sehen wir von der Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland (Stiftung KiBa) sehr deutlich. Dabei geht nichts ohne den Einsatz der Menschen vor Ort. Die Dorf- oder Kiezbewohner müssen spezifische Lösungen finden für die eigene Kirche, und sie brauchen für ihre Vorhaben einen langen Atem.
Der Preis der Stiftung KiBa, den unsere Stiftung auslobt, hat auch in Brandenburg hervorragende Modelle für Kirchenöffnungen ans Licht gebracht. Da ist zum Beispiel die „Kleine Kapelle am Weg“ in Jerchel im Landkreis Havelland: Die Gemeinde hat das kleine Gebäude kurzerhand umgesetzt – von einem Ort, an dem die Kapelle nicht mehr genutzt wurde, an einen Ort, an dem kirchliches Leben hoch willkommen ist. Ein bescheidener Anbau hat das Gebäude für viele Kooperationspartner attraktiv gemacht. So ist neues Leben in die Kapelle eingezogen.
Johanniskirche Eberswalde wird ein multifunktionaler Treffpunkt
Die Gemeinde der Johanniskirche in Eberswalde plant einen Anbau, der die seit 13 Jahren ungenutzte Kirche – natürlich unter Berücksichtigung aller Belange des Denkmalschutzes – zu einem multifunktionalen Forum erweitert. Unter breiter bürgerschaftlicher Beteiligung entstanden die Pläne für das „Forum Johanniskirche“, das Treffpunkt und Veranstaltungsort für bis zu 200 Besucherinnen und Besucher werden soll, und gleichzeitig spiritueller Ort und touristisches Ziel für Wanderer auf dem Pilgerweg „Via Imperii“, der durch Eberswalde führt.
In der Gemeinde Großderschau im Havelland wird eine von 17 Kirchen in eine Museumskirche umgewandelt. 1785 von Friedrich II. für die umliegenden Kolonien errichtet, hat das stattliche Bauwerk heute keine Funktion mehr. Ein Kreis engagierter Bürgerinnen und Bürger gibt dem liebgewonnenen Gebäude nun seine neue Aufgabe. Präsentiert werden unter anderem die Entstehungsgeschichte der Kirche und der Kolonien, ebenso alte Handwerke oder auch eine Ausstellung über das Leben von Kindern zur damaligen Zeit. Der Gottesdienstraum bleibt unangetastet; die museale Nutzung und Kirchenführungen locken zusätzliche Besucher nach Großderschau, darunter auch viele Schulklassen.
Geld, Ideen, Gemeinschaft und Tatkraft gebraucht
Diese und viele andere Beispiele zeigen: Je nach Bedarf und baulicher Gegebenheit, mit guter Kommunikation und Kompromissbereitschaft in Respekt vor dem sakralen Ort lassen sich fast immer Lösungen finden, von denen alle profitieren. Dadurch wird klar: Wenn wir diese wunderbaren spirituellen Räume auch noch für unsere Kinder erhalten wollen, müssen wir alle aktiv werden. Mit Geld, ja, und mit Ideen, Gemeinschaft und Tatkraft vor Ort. Je mehr Menschen sich einbringen, damit die Kirche im Dorf bleibt, desto wahrscheinlicher wird es, dass auch das Dorf langfristig in die Kirche kommt.
Catharina Hasenclever ist promovierte Kunsthistorikerin und Geschäftsführerin der Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler (Stiftung KiBa).
