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Nach dem iranischen Angriff läuft das Leben in Jerusalem normal

Mit großer Sorge blickt die Welt in den Nahen Osten: Nach dem Angriff des Iran auf Israel könnte sich die Lage dort erneut zuspitzen. Während Regierung und Militärs beraten, geht der Alltag weiter.

War es und bleibt es das Feuer einer einzelnen Nacht? Oder wird es zum Auftakt einer Eskalation, die zu einer Art Weltenbrand führen könnte? Die Spekulationen und bangen Fragen seit dem tödlichen Luftschlag Israels auf hohe iranische Militärs in Damaskus sind mit dem massiven Nachtangriff Teherans auf Israel nicht beantwortet.

Zwar wurden in der vergangenen Nacht fast alle Drohnen und Marschflugkörper von Israel und seinen Partnern abgefangen. Jene Handvoll ballistischer Raketen, die aufgeschlagen sind, haben – neben einem verletzten Mädchen – nur geringen Sachschaden ausgelöst. Aber die weitere Entwicklung wird von der Reaktion Israels abhängen, über die Premier Benjamin Netanjahu erst noch mit seinem Kriegskabinett beraten will. US-Präsident Joe Biden hat bereits klargestellt, dass er einen israelischen Vergeltungsschlag nicht unterstützen werde.

In der Nacht von Samstag auf Sonntag wurden iranische Raketen über dem Felsendom unter lautem Explosionskrach von der Flugabwehr zerstört. Am Morgen danach verläuft das Leben in Jerusalem fast so, als sei nichts geschehen. In der Altstadt sind die Geschäfte geöffnet wie in den Wochen zuvor, auf Baustellen wird gearbeitet, der Straßenverkehr fließt und stoppt wie sonst. Freilich fehlen die ausländischen Besucherscharen, die seit dem 7. Oktober, seit dem Angriff der Terrormiliz Hamas, das Land meiden – auch wenn zuletzt wieder einzelne Gruppen eingereist waren.

Diese leise Hoffnung könnte mit dem iranischen Angriff und der verstärkten Anspannung nun wieder verrinnen. Gerade seien wieder mehr Pilger gekommen, und für das orthodoxe Ostern am 5. Mai wurde ein weiterer Anschub und ein besseres Geschäft erwartet – da platzt die Konfrontation mit dem Iran hinein, klagt ein Händler in der Altstadt. Zwar hat Israel seinen für die Angriffsphase gesperrten Luftraum nach sieben Stunden wieder geöffnet, aber etliche ausländische Airlines haben für die kommenden Tage ihre Flüge nach und von Tel Aviv gestrichen; Fluggäste müssen umbuchen. Neue Unsicherheit könnte sich breitmachen.

Zudem sorgen Nachrichten von angeblichen Freudenböllern im arabischen Ost-Jerusalem über die Angriffswelle für Irritationen, auch wenn solche Exzesse bislang nicht offiziell bestätiget werden konnten. Bestätigt hat unterdessen ein israelischer General, dass die Abwehrmaßnahmen gegen die iranischen Raketen rund eine Milliarde US-Dollar gekostet haben dürften.

In etlichen christlichen Kirchen Jerusalems haben die Gläubigen am dritten Ostersonntag – wie bereits in vielen Wochen davor – um Frieden, um ein Ende der Gewalt und die Rückkehr der in Gaza festgehaltenen Geiseln gebetet. Eine offizielle Stellungnahme der Kirchenführer des Heiligen Landes zu Angriff des Iran liegt bislang nicht vor. Es handele sich um einen rein politischen Vorgang, die Kirchenoberen äußerten sich aber nur, wenn Opfer, Tote, Verletzte oder sinnlose Zerstörungen zu beklagen seien, meint eine Expertin.

Die hat es hier bislang – Gott sei Dank, wie der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, betont – nicht gegeben. Papst Franziskus zeigte sich beim sonntäglichen Mittagsgebet tief besorgt. Und so hofft man, dass die angespannte Lage im Heiligen Land nicht an einer neue Front eskaliert.