Artikel teilen:

Mode spielt für Identität der Rechtsextremen eine zentrale Rolle

Outdoor oder Hipster, Anzug oder Perlenkette: In Deutschland gibt es ein ganzes Spektrum rechter Modestile. Die Bundesrepublik sei das Land mit den meisten Labels dieser Art, sagt eine Forscherin.

Im adretten Polo-Shirt – so habe Björn Höcke, AfD-Fraktionsvorsitzender in Thüringen, in den Sozialen Medien für ein rechtes Modelabel geworben. Dies sei typisch für den “den neuen Look der Rechtsextremisten”, sagte Elke Gaugele, Professorin an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, am Mittwochabend im Kulturforum Berlin. Dabei gehe es darum, statt einer “Schreckensfigur” ein Image aus der Mitte der Gesellschaft zu schaffen – in Richtung “hip und cool, preppy und clean.” Rechte Influencer verbreiteten diesen Style in den Sozialen Medien.

Die Wiener Kulturwissenschaftlerin Gaugele untersucht derzeit in einem dreijährigen Forschungsprojekt das Phänomen “Mode und Rechtsextremismus” auf nationaler und internationaler Ebene. In einer ersten Bilanz kommt sie zu dem Schluss, dass rechte Modelabels in Deutschland mehr als in jedem anderen Land boomen. Die Tendenz zu Neugründungen sei dabei steigend. Der Vortrag bildete den Auftakt einer Reihe zum Thema “Kleidung als Ausdruck einer politischen Haltung” der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin.

Rechtsextreme Mode könne nicht auf eine Formel reduziert werden; das Thema sei komplex, sagte Britta Bommert, Leiterin der Sammlung Modebild der Berliner Kunstbibliothek. Rechtsextreme seien längst nicht mehr nur an Glatze, Springerstiefeln und Bomberjacken zu erkennen. Mode werde zunehmend genutzt, um die Ideologie zu verbreiten.

Dass es hierzulande die meisten rechten Mode-Neugründungen gebe, liegt Gaugele zufolge daran, dass “wir die Wiedervereinigung hatten”. Diese hätten Rechtsextreme aus Ost- und Westdeutschland zu nutzen gewusst, das Thema “Nation” neu zu verhandeln und über Mode ein Gefühl von Gemeinschaft zu schaffen. “Mode wird nicht in erster Linie als politisch wahrgenommen, deshalb hat sie sozialen Einfluss”, sagte Gaugele. Sie könne regelrecht “als Waffe” benutzt werden. Die rechte Modeszene in Deutschland habe sich seit den 1990er Jahren aufgebaut.

Dabei gebe es einen “neuen faschistischen Modekomplex”, der unterschiedliche gesellschaftliche Schichten anspreche – das T-Shirt mit dem rechtsextremen Slogan, den eher akademischen Style mit Polo-Shirt und schmalem Käntchen in Deutschland-Farben oder auch mit Slogans, die an den Naturschutz (“Heimatschutz”) erinnerten. Ebenso gebe es Kleiderkammern von und für Patrioten.

Für den extremen Anstieg entsprechender Mode-Angebote sei auch die Digitalisierung verantwortlich, sagte die Professorin. Diese mache es einfach, Logos und Bilder zu drucken. Eine weitere Rolle spielten schnelle und billige Möglichkeiten zur Produktion. “Made in Germany” (in Deutschland produziert), wie bei manchen Labels suggeriert werde, seien dabei die wenigsten Kleidungsstücke: Wie andere Mode auch werde meist in der Türkei oder Asien produziert.

Reale Ladengeschäfte gebe es wenig, so Gaugele. Meist werde die Ware von Online-Stores in deutschen Kleinstädten und Dörfern verkauft – auch über die deutschen Grenzen hinweg. “Es muss auch Abnehmer finden und Geld abwerfen”, vermutet sie: Sonst würde es nicht so massiv betrieben.

Alle Versuche ihres Forschungsteams, mit den verantwortlichen Unternehmen zu sprechen, seien gescheitert – es sei ihnen nach eigener Aussage zu riskant gewesen sich zu äußern, sagt Gaugele. In einem Ort seien sie auch von Nachbarn eines Labels gewarnt worden, berichtet sie: Wenn sie dort klingelten, dann gäbe es Schläge.

Manche Stores böten nicht nur Mode, sondern auch “eine ganze Erlebniswelt” an. Bei einem in Thüringen ansässigen rechtsextremen Aktivisten etwa kann man nicht nur T-Shirts mit expliziten rechtsradikalen Aufschriften bestellen – sondern etwa auch ein Kochbuch “Die 88 besten Fleischgerichte aus dem Dritten Reich”.

Gaugele beobachtet zudem, dass rechte und rechtsextreme Labels sich gerne bekannte Marken ungefragt aneignen, um sie zur Markierung ihrer Identität zu nutzen – und dann “etwa noch einen riesigen Adler draufknallen”. Lange habe etwa die Marke Lonsdale als beliebtes Label in der klassischen Neonazi-Szene gegolten – bis sich das Unternehmen mit gezielten Kampagnen gegen dieses Image wehrte. Der Schriftzug ergibt bei halb geöffneter Jacke die Buchstabenkombination NSDA – also beinahe NSDAP.