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Mittel gegen den Abbruch

Über 15 Jahre keine Taufe mehr, keine Trauung, kein Gottesdienst. Eine der größten evangelischen Kirchen in Nürnberg, die Kreuzkirche in Nürnberg-Schweinau, ist wegen einer maroden Dachkonstruktion nicht mehr benutzbar. „Ein typischer Fall“, sagt der Nürnberger Baureferent Daniel F. Ulrich dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das Gebäude aus dem Jahr 1963 steht unter Denkmalschutz, die teure Sanierung kann sich die Gemeinde nicht leisten.

Auch St. Rupert, eine 1954 geweihte katholische Kirche am Ludwigskanal in Nürnberg, wird ab dem Jahr 2024 leer stehen. Man suche nach einer „würdevollen“ Nachnutzung. Der christlich-spirituelle Charakter solle erhalten bleiben, heißt es in einer Mitteilung der Gemeinde.

Einen solchen Nachbesitzer haben etwa die Evangelischen vor zwei Jahren für ihre denkmalgeschützte Epiphaniaskirche im Stadtteil Gostenhof gefunden. Für eine halbe Million Euro ging sie an die charismatische Gemeinde der „Trinity Church“. Nachdem sich die vier Kirchengemeinden zu einer Pfarrei zusammengeschlossen hatten, hatte man beschlossen, dass zwei Kirchengebäude ausreichen würden.

Auffälliger war ein Immobilien-Fall der katholischen Gemeinde in Nürnberg-Altenfurt. Die versuchte vor zwei Jahren, eines der ältesten Kirchlein in der Stadt zu verkaufen und der Aufschrei war groß. Bundestags- und Landtagsabgeordnete intervenierten beim Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke, damit das Areal um die historische Rundkapelle aus dem 12. Jahrhundert nicht in andere Hände kam.

Damit Kirchen nach der Zusammenlegung von Gemeinden oder weil sie renovierungsbedürftig sind, nicht jahrzehntelang ungenutzt bleiben und womöglich verfallen, hat der Stadtrat in Nürnberg in diesem Herbst ein „Denkmalkonzept Kirchen“ beschlossen. Mit dem „KDK“ (Kommunales Denkmalkonzept Kirchen) solle nach Lösungen gesucht werden, wie mit nicht mehr benötigten denkmalgeschützten Kirchengebäuden umgegangen werde, teilt das Baureferat mit. Weder die evangelische noch die katholische Kirche hätten ein übergreifendes Konzept für solche Fälle. „Es ist ein Nachteil, dass jede Kirche der Gemeinde oder eine Stiftung gehört, von denen der eine nicht weiß, was der andere tut“, heißt es im Beschluss.

Mit dem neuen Konzept wolle man „Abbruchbestrebungen entgegentreten“, sagte der Baureferent. Ziel sei es, die Kirchen nun zu vernetzen und gegebenenfalls Kirchengebäude an andere Religionsgemeinschaften vermitteln. „Es könnte sein, dass eine ukrainisch-orthodoxe Gemeinde eine Kirche benötigt, die frei wird“, sagte Ulrich, „manchmal muss die Stadt Geburtshelfer sein.“

Das bayerische Kommunale Denkmalkonzept (KDK), an das sich das Nürnberger Baureferat jetzt hängt und Kirchen-Leerstände oder Verkäufe im Blick behalten will, wurde vor sieben Jahren ins Leben gerufen, teilt das Landesamt für Denkmalpflege mit (BLfD). Seither seien 70 sogenannte KDKs initiiert worden. Sie sollen in Orten historische und archäologische Substanz wieder beleben.

Bisher hätten kleinere Gemeinden das Programm angewendet, um etwas gegen den Leerstand historischer Gebäude zu unternehmen. So hat etwa das unterfränkische Mainbernheim nicht mehr genutzte kleinere Häuser zu einer dezentralen Stadtherberge umgebaut. Auch Lichtenberg förderte mit einem KDK, dass historische Gebäude und Grünanlagen öffentlich genutzt werden.

In Nürnberg sagt der Baureferent, „das angedachte Denkmalkonzept wird die religiös wie kulturell wichtigen Orte der Kirchen stärken und deren zukunftsfähige Nutzung und Gestaltung unterstützen“. Kirchengebäude gehörten für viele – gläubig oder nicht – zur Umgebung. Mit dem neuen Konzept wolle man „Abbruchbestrebungen entgegentreten“, stellt Ulrich fest.

Susanne Wagner vom Baureferat der Gesamtkirchenverwaltung der Protestanten in Nürnberg findet ein solches Konzept „grundsätzlich gut“, gibt aber zu bedenken, dass jede Kirchengemeinde eigenständig entscheiden darf.

„Wir sind hier offen für den Austausch, um gemeinsam die Stadt weiterzuentwickeln“, erklärt Petra Postler, Leiterin des Baureferats der Erzdiözese Bamberg, zu der ungefähr die Hälfte der katholischen Kirchen in Nürnberg gehören. Auch die Erzdiözese mache sich Gedanken über ihre Gebäudekonzepte, sagt sie. Das soll bis 2026 erstellt werden. Größere Kirchenbauten mit mehr als 400 Sitzplätzen würden kaum mehr gebraucht, „oft würde die Hälfte des Raumes ausreichen“. Dazu käme, dass die Eigenanteile bei Baumaßnahmen für viele Kirchenstiftungen inzwischen zu hoch seien. „Die Spendenbereitschaft geht zurück“. (00/3914/30.11.2023)