War der Deutsche Bauernkrieg ein Aufstand des Pöbels? Oder ein Kampf des Volks gegen Unrecht und Unterdrückung? 500 Jahre nach dem ersten Volksaufstand auf deutschem Boden lässt sich aus den Ereignissen Vieles lernen.
Es ist ein Kunstwerk der Superlative: Im Mai 1525 war das thüringische Frankenhausen Schauplatz einer der blutigsten Schlachten des Deutschen Bauernkriegs. Daran erinnert das Panorama Museum mit dem berühmten Gemälde von Werner Tübke (1929-2004): 14 Meter hoch und 123 Meter im Umfang. Über 3.000 Figuren und 75 Schlüsselszenen gibt es zu entdecken. Das von der DDR-Regierung Mitte der 70er Jahre beschlossene und im September 1989 eröffnete Museum steht auf dem historischen Schlachtberg, wo vor 500 Jahren mehrere Tausend aufständische Bauern vom Fürstenheer niedergemetzelt wurden. Der radikale Prediger und Bauernführer Thomas Müntzer wurde dort gefangen genommen und vor den Toren der Stadt Mühlhausen hingerichtet.
Mehrere große Ausstellungen, Theaterstücke und neue Bücher erinnern an die Ereignisse. So ist im Landesmuseum Württemberg in Stuttgart ab 26. Oktober die Große Landesausstellung “500 Jahre Bauernkrieg” geplant. Eine Landesausstellung “Gerechtigkeyt 1525” plant Sachsen-Anhalt 2025. Einen gut lesbaren Überblick über die Ereignisse, die Deutschlands Geschichte über Jahrhunderte mitprägten, hat jetzt der Historiker Christian Pantle unter dem Titel “Der Bauernkrieg. Deutschlands erster Volksaufstand” im Propyläen-Verlag vorgelegt.
Pantle, Chefredakteur des Monatsmagazins “G/Geschichte”, erzählt die Ereignisse von den ersten Revolten 1524 bis zum letzten Widerstand in den Alpen 1526. Er ordnet das Geschehen dabei in den historischen Zusammenhang ein: Ursache des ersten Volksaufstandes auf deutschem Boden sind nach seiner Interpretation auch zwei übergreifende Krisen: der Klimawandel und die Pest.
Seit 1300 hatten sich die Temperaturen in Europa langsam abgekühlt. Es kam zu Hungersnöten – allein im sogenannten Großen Hunger von 1315 bis 1317 starben Millionen Menschen. Ab 1347 kam der Schwarze Tod hinzu: Die Pestwelle tötete bis 1353 etwa ein Drittel der Bevölkerung in Europa. Während sich Kirche und Adel brachliegendes Land sicherten, gerieten die kleinen Bauern in wachsende Abhängigkeit; alte Rechte wurden ausgehöhlt. Schon vor dem Bauernkrieg gab es regionale Volksaufstände wie den “Armen Konrad” und die “Bundschuh”-Bewegung. Nicht denkbar sei der Bauernkrieg auch ohne die Erfindung des Buchdrucks und ohne das Kommunikationsmittel der Flugschrift, schreibt Pantle.
Eindrücklich beschreibt der Autor, wie der Aufstand eskalierte: von Plünderungen von Klöstern und Burgen zu Beginn bis zu großen Schlachten, bei denen geschätzte 70.000 Bauern ums Leben kamen. In den sogenannten “Zwölf Artikeln”, die Bauerndelegationen im März 1525 in Memmingen formulieren, sieht der Autor sogar eines der frühesten, von der Bevölkerung entwickelten Manifeste für Menschen- und Freiheitsrechten.
Das Buch erzählt die Geschichte vor allem anhand von zwei Personen: zum einen Feldherr Georg Truchsess von Waldburg, der entscheidende Schlachten des Bauernkriegs schlug und den zynischen Spitznamen Bauernjörg erhielt. Sein Gegenspieler Matern Feuerbacher erlaubt es, den Konflikt aus Sicht der Aufständischen zu betrachten. Der Gastwirt aus Großbottwar nahe Stuttgart wollte erst nicht mit dem Rebellenheer ziehen, wurde dann aber sogar oberster Anführer, versuchte mäßigend einzuwirken und Gewalt zu verhindern.
Pantles Buch zeigt auch, wie der Bauernkrieg im Nachhinein von den deutschen Historikern und Regierungen interpretiert wurde. Für die DDR ließ sich der Volksaufstand als Klassenkampf gegen den Feudalismus bestens ins marxistische Geschichtsbild einpassen: vom Aufstand der Bauern gegen die Feudalherren bis zur Befreiung der Werktätigen.
In Westdeutschland fand der Volksaufstand weit weniger Beachtung. Nach dem Zweiten Weltkrieg dominierte lange die Lesart, durch die Niederlage 1525 sei “der Bauer für fast drei Jahrhunderte aus dem Leben unseres Volkes ausgeschieden” und zum Untertan geworfen, der seine Tage in Dumpfheit verbrachte.