Einer neuen Studie zufolge wusste die katholische Kirche in Mecklenburg zu DDR-Zeiten um das Problem von sexualisierter Gewalt an Minderjährigen. Gemeinden und Amtskirche hätten Bescheid gewusst, die Betroffenen aber keine Hilfe erfahren, sagte Studienleiterin Manuela Dudeck in Schwerin bei der Vorstellung der Untersuchung. Die Betroffenen wurden oft über Jahre hinweg missbraucht, einige von ihnen sind noch heute psychisch krank. Ein Forschungsteam der Uniklinik Ulm hatte die Studie seit September 2020 im Auftrag des katholischen Erzbistums Hamburg erarbeitet.
Es sei erschreckend, dass es genügend Mitwisser gegeben habe, sagte Dudeck. Nach Aussagen von Interviewten soll es laut Dudeck eine Kultur des Verschweigens und zum Teil auch „aktive Vertuschung“ gegeben haben. Vereinbarungen zwischen Kirche und Staat im Umgang mit den Tatverdächtigen, wie etwa Versetzungen in den Westen, hätten dazu geführt, dass die Taten nicht öffentlich gemacht worden seien. Die Staatssicherheit habe Beschuldigte innerhalb der Kirche gezielt als inoffizielle Mitarbeiter angeworben und sie für eigene Zwecke genutzt, weshalb Strafverfolgungen ausgeblieben seien.
Hohe Dunkelziffer
Insgesamt seien 19 Tatverdächtige und 40 Opfer ermittelt worden, es werde jedoch von einer hohen Dunkelziffer bei den Betroffenen ausgegangen, sagte die Studienleiterin. Die Forschenden hätten 13 Opfer interviewt. Diese seien zum Zeitpunkt der Interviews durchschnittlich 73 Jahre alt gewesen. Sie hätten vier Beschuldigte sowie die erlebte sexuelle, körperliche und auch psychische Gewalt beschrieben. Einige litten noch immer unter posttraumatischen Belastungsstörungen oder Depressionen.
Die drei Frauen und zehn Männer waren zum Zeitpunkt der Taten laut Studie im Durchschnitt zehn Jahre alt: Der jüngste Betroffene war beim ersten Missbrauch fünf, der älteste 14 Jahre alt. Die Dauer der Missbräuche betrug im Schnitt fünfeinhalb Jahre. Ein Betroffener sei über einen Zeitraum von mehr als acht Jahren sexuell missbraucht worden, hieß es. Zudem hätten die Betroffenen bis heute nicht die umfassende Anerkennung ihres Leids erfahren, die sie sich wünschten. Ergänzend sagte Studien-Coautorin Laura Rinser von der Uni Ulm, viele Betroffene wünschten sich auch eine Entschädigung.
Erzbistum will Studie bewerten
Erzbischof Stefan Heße (Hamburg) nahm die Studie in Schwerin entgegen. Er sei dankbar, dass das Ergebnis jetzt vorliege. Für kommenden Montag kündigte er eine Bewertung an, was die Untersuchung für das Erzbistum bedeutet. Die Untersuchung werde jedoch kein Endpunkt bei der Aufarbeitung sein.