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Missbrauchsbeauftragte erwartet mehr Fälle in evangelischer Kirche

Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, erwartet von der ersten unabhängigen Studie über sexuellen Missbrauch in der evangelischen Kirche und Diakonie deutlich höhere Zahlen als die bisher bekannten. Claus sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) vor der für Donnerstag geplanten Veröffentlichung der sogenannten ForuM-Studie: „Die Zahlen werden zeigen, dass es auch in der evangelischen Kirche viel mehr Fälle sexuellen Missbrauchs gibt als bisher angenommen und damit auch viel mehr Täter und auch Täterinnen.“

Das werde sich in den Landeskirchen ebenso zeigen wie in den Landesverbänden der Diakonie. Es werde auch deutlich werden, dass es sich bei sexueller Gewalt in den Kirchen nicht allein um ein katholisches Phänomen handele, erklärte die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Viele Betroffene hätten bisher geschwiegen, sagte Claus. Das liege auch daran, dass es in der evangelischen Kirche „kaum wirklich kirchenunabhängige Ansprechstellen gibt“.

Claus geht davon aus, „dass die Veröffentlichung der Studie eine intensive Debatte in der evangelischen Kirche und in Politik und Gesellschaft auslösen wird“. Sie sei auch gespannt, welche Risikofaktoren für sexuelle Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie benannt würden und welche Empfehlungen zur Minimierung der Risiken die Studie gebe. Dies sei wichtig, um Kinder und Jugendliche besser zu schützen, betonte Claus.

An diesem Donnerstag will die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover die Ergebnisse der ersten übergreifenden Studie zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie in Deutschland vorstellen. An der Studie des Forschungsverbunds ForuM sind unter Leitung der Hochschule Hannover fünf weitere Institute und Universitäten beteiligt. Sie soll auch Erkenntnisse zu den Risikofaktoren für sexualisierte Gewalt in allen Bereichen des kirchlichen Lebens liefern. Bekannt sind nach Angaben der EKD derzeit 858 Fälle, in denen Missbrauchs-Betroffene kirchliche Zahlungen beantragt haben, sogenannte Anerkennungsleistungen.