Kerstin Claus, Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, drängt die Länder zu Ombudsstellen für Missbrauchsopfer. Ein neuer Bericht sieht Lücken bei der Hilfe. Und enthält Forderungen an die Politik.
Die Länder sollen nach Ansicht der unabhängigen Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Kerstin Claus, Ombudsstellen für Missbrauchsopfer einrichten. “Ich werbe dafür, dass alle Bundesländer Strukturen zur Aufarbeitung einführen, so wie das im Sommer in Nordrhein-Westfalen geschehen ist”, sagte sie am Freitag auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Es gehe dabei um Standards der Aufarbeitung – nicht allein für Missbrauch in katholischer oder evangelischer Kirche. Auch die Bereiche Sport und Jugendhilfe könnten damit erreicht werden.
“Es braucht für Betroffene ein individuelles, unabhängiges Angebot vor Ort; eine neutrale Stelle”, führte Claus aus. Eine solche Ombudsstelle könne der konkreten Unterstützung dienen. “Es braucht jetzt eine Initiative der Länder.” Diese sollten die Strukturen der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung für sich übernehmen.
“Dann könnten wir bundesweit für Betroffene viel mehr leisten als bisher”, sagte Claus. Es gehe um ein sicheres Miteinander heute und ein Aufarbeiten des Geschehens in der Vergangenheit. Hintergrund ist eine Initiative der Missbrauchs-Aufarbeitungskommission im Bistum Trier. Diese hat die Bundesländer Rheinland-Pfalz und Saarland aufgefordert, eine zentrale Anlaufstelle für von sexualisierter Gewalt und Missbrauch betroffene Erwachsene einzurichten.
Während es für Minderjährige entsprechende Stellen gebe, sei dies für heute Erwachsene, die in der Vergangenheit Missbrauch erfahren mussten, nicht der Fall, erklärte die Kommission am Freitag in Trier. Beide Bundesländer, auf deren Gebiet sich das Bistum erstreckt, reagierten in ihren Antwortschreiben offen auf die Initiative – ohne jedoch feste Zusagen zu machen.
“Ich werde Ihre Anregung in meinem Ministerium umfassend und eingehend prüfen lassen”, schreibt Saarlands Sozialminister Magnus Jung (SPD). Aus dem Mainzer Sozialministerium hieß es, in Rheinland-Pfalz gebe es bereits mehrere Anlaufstellen für Betroffene. Auch für Erwachsene, schreibt Familienministerin Katharina Binz (Grüne). Zudem verwies sie auf das “Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch” auf Bundesebene.
Die Antworten sind im vierten Zwischenbericht der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Verantwortungsbereich des Bistums Trier enthalten. Der Bericht wurde am Freitag veröffentlicht. Das Gremium empfiehlt darin unter anderem eine vergleichende Zusammenfassung aller Berichte und Ergebnisse der Missbrauchskommissionen der katholischen Bistümer in Deutschland.
Im Herbst hatten Wissenschaftler der Universität Trier von mindestens 734 Betroffenen und 246 Beschuldigten allein für das Bistum Trier für den Zeitraum der vergangenen acht Jahrzehnte gesprochen. Sie gehen von einem Dunkelfeld aus, so dass die tatsächlichen Zahlen wohl höher liegen dürften. Seit 2010 wurden nach Angaben des Bistums rund 3,7 Millionen Euro in Anerkennung des Leids an Betroffene gezahlt und Therapiekosten in Höhe von mehr als 180.000 Euro übernommen.
Die Aufarbeitungskommission bedauere, dass viele Bemühungen des Bistums zu Verbesserungen im Missbrauchskontext “durch die mangelnde Kooperationsbereitschaft von externen Partnern verzögert oder sogar verhindert wurden.” Wo dies zu Lasten der Betroffenen gehe, sei ein solches Handeln unentschuldbar.
Auch Missbrauchstaten deutscher oder europäischer Täter, die in der kirchlichen Entwicklungshilfe im Ausland tätig waren, bedürfen laut dem Gremium einer ausführlichen Aufarbeitung. Die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch gelte in der Weltkirche nicht als eine gemeinsame Aufgabe.