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Migrationsforscher beklagt: Flüchtlinge werden entmenschlicht

Der Migrationsforscher Jochen Oltmer hat die demokratischen Parteien in Deutschland vor dem Hintergrund der Debatte über Geflüchtete zu einem Migrationspakt aufgerufen. Sie sollten sich zusammentun, um die Herausforderungen gemeinsam und seriös anzugehen, anstatt scheinbar einfache Lösungen zu präsentieren und die Stimmung mit dauernden Zuspitzungen anzuheizen, sagte Oltmer in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Ehrlichkeit wäre wichtig, dass das Flüchtlingsthema extrem komplex und weitreichend ist.“

Dann halte er gemeinsame Kraftanstrengungen zur Lösung etwa der Infrastrukturprobleme in den Kommunen für möglich. Es sei falsch, dafür die Schutzsuchenden verantwortlich zu machen, sagte der Historiker am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück. Entgegen den Versprechen von 2015 hätten Länder und Kommunen seitdem Kapazitäten für Unterbringung und Integration Schritt für Schritt wieder abgebaut. „Dabei war allen klar, dass Flucht ein Dauerthema bleiben würde.“

Falsch sei es auch, dauernd von „illegaler Migration“ zu reden, obgleich die zwei wichtigsten Gruppen von Schutzsuchenden in Deutschland, Syrer und Afghanen, fast zu 100 Prozent einen Schutzstatus bekämen, sagte Oltmer. Er forderte die Politik auf, über die Ausstellung humanitärer Visa nachzudenken. „Derzeit bleibt doch Syrern und Afghanen gar nichts anderes übrig, als ohne Genehmigung Grenzen zu überschreiten. Wenn man es ernst meint mit der Bekämpfung von Schleppern, bleibt nur das humanitäre Visum.“

Der Professor beklagte, die Geflüchteten würden zunehmend entmenschlicht. Diskussionen in Politik und Gesellschaft drehten sich nur um Belastungen für Deutschland. Die Perspektive derjenigen, die Schutz vor Not und Verfolgung suchten und ein Recht auf diesen Schutz hätten, spiele kaum eine Rolle. In den meisten Medien würden nur noch selten Einzelschicksale dargestellt. „Ich sehe keine einzelnen Menschen mehr, sondern nur noch Massen.“

Oltmer hält die diskutierten Instrumente, mit denen der Zuzug von Flüchtlingen kontrolliert und begrenzt werden soll, für wenig zielführend. Und es sei gefährlich, genau dies den Menschen vorzugaukeln. Das stärke nur die AfD und die Rechtsextremen. So gehe auch die gegenwärtige Diskussion um die erneute Einschränkung des Asylgrundrechts fehl. Der Asylartikel sei faktisch seit Jahrzehnten belanglos. Die meisten Geflüchteten erhielten einen Aufenthaltsstatus auf Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention und von EU-Regelungen.

Auch bezüglich der geplanten Asylzentren an den EU-Außengrenzen ist der Migrationsforscher skeptisch. Zentrale Fragen blieben offen: „Wie sollen diejenigen verteilt werden, die einen Schutzstatus erhalten? Wohin sollen diejenigen gebracht werden, die kein Asyl erhalten? Wie sollen rechtlich einwandfreie Asylverfahren in nur 12 Wochen erledigt werden?“