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Mehr Tierwohl in der Kirche

„So viel du brauchst“: Unter diesem Motto laden die Kirchen auch in diesem Jahr wieder zum Klima­fasten ein. Jede Woche gibt es einen Schwerpunkt, der dazu anregt, Neues zu entdecken und über Gewohnheiten nachzudenken. „die Kirche“ begleitet die Aktion mit einer Reihe von guten Ideen aus Kirche und Gemeinden, passend zum jeweiligen Wochenthema. In der dritten Woche geht es um vegetarische Ernährung.

Von Friederike Höhn

Die ersten Menschen, Eva und Adam, ernährten sich vegan oder zumindest vegetarisch. Im Schöpfungsbericht heißt es: „Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise“ (1. Mose 1,29). Auch die Beschreibung des Friedensreichs legt nahe, dass es dort kein Blutvergießen mehr geben wird (Jesaja 11,6–9). Warum aber essen Christ*­innen Fleisch und ein Gemeindefest ohne Grill scheint oft unvorstellbar?

Der ökumenische Verein „Aktion Kirche und Tier“ (AKUT) macht sich stark für eine größere Sichtbarkeit von Tieren und Tierwohl im kirch­lichen Raum, in Theologie und ethischen Debatten. Regionalgruppen gibt es in Sachsen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und im Südwesten – in Berlin und Brandenburg nicht. 

„Unsere Mitglieder vermissen schmerzlich, dass sich die Kirchen damit kaum befassen. Auch im Theologiestudium kommen ethische Fragen zum Tierwohl kaum vor“, erläutert der Vereinsvorsitzende Ulrich Seidel (69). Der Pfarrer aus dem sächsischen Markkleeberg ist seit 1988 Vegetarier und lebt mittlerweile vegan. Ausschlaggebend war eine Reportage, die er damals im Westfernsehen über Tiertransporte gesehen hat. „Das Problem ist, dass der Konsument in der industriellen Landwirtschaft nicht mehr sieht, wie das Tier zum Nahrungsmittel wird.“ Er selbst hat als Kind noch beim Schlachten mithelfen müssen und weiß: „Der Mensch hat eine natürliche Tötungshemmung.“ Aber wer schlachtet heute noch selbst für das abendliche Wurstbrot?

Neben dem ethischen Aspekt des Tierwohls ist es für Seidel aber auch aus gesundheitlichen Gründen und als Beitrag zum Klimaschutz nur vernünftig, den eigenen Fleischkonsum zu minimieren. „Das sind dann ja auch ganz egoistische Gründe, die zu weniger Fleischkonsum anhalten können“, betont Seidel und zieht die Linie zur Theologie, die sich primär auf den Menschen und weniger auf dessen Mitschöpfung bezieht. In der Kirche müsse man sich oft rechtfertigen, wenn der Fokus vom Mensch auf das Tier verlagert werde.

Dass ist seiner Beobachtung nach außerkirchlich ganz anders: Die junge Generation engagiert sich gesellschaftlich und politisch für Tierwohl und gegen Massentierhaltung – ohne theologischen Überbau. „Aber in den Gemeinden sitzt eher die zweite Lebenshälfte mit festen Gewohnheiten“, weiß er mit Blick auf die Grillfeste. Sein Tipp: „Lasst die Frauen vor. Die wissen, wie es auch fleischarm geht.“

Informationen zu AKUT e.V. finden Sie unter www.aktion-kirche-und-tiere.de

Das EKD-Papier „Nutztier und Mit­geschöpf“ von 2019 gibt es unter www.ekd.de/ekd-texte