„Ich bin glücklich“, sagt Tash Hilterscheid und lächelt. Die Reise bis zu dieser neuen Stelle sei lang gewesen – für die Kirche und die Pfarrperson. Seit dem 1. Januar 2025 ist die Pfarrperson Hilterscheid im Amt der neu geschaffenen Stelle für queersensible Bildungsarbeit.
Die Nordkirche hat sich positioniert, als der Beschluss für die Erweiterung des Gesetzes für Geschlechtergerechtigkeit 2023 in zweiter Lesung durchging. In dem Beschluss ging es um die Anerkennung der Geschlechtervielfalt. „Das heißt, die Nordkirche hat beschlossen, sich selber für Vielfalt zu sensibilisieren“, erklärt Hilterscheid.
„Und das läuft gut“, freut sich Hilterscheid. Seitdem seien schon viele Projekte umgesetzt worden. Von Beginn an seien viele Anfragen eingegangen, die deutlich machen, wie stark der Bedarf in dem Bereich ist. „Aber es hat auch gezeigt, wie viele Menschen sich vorher schon engagiert haben, meist neben ihren Stellen in der Nordkirche, privat oder ehrenamtlich“, erklärt Hilterscheid.
Queersensible Arbeit: Wo geschieht Diskriminierung?
Menschen aus allen Bereichen der Nordkirche, ob für Jugendarbeit oder für Gottesdienste, können Tash Hilterscheid ansprechen und sich Unterstützung holen. „Es geht darum, dass Menschen in all unseren Kirchenkreisen und -gemeinden einen Blick dafür bekommen, an welchen Stellen Diskriminierung geschehen kann“, sagt Hilterscheid.
Am wichtigsten sei es, „wirklich aus dem Herzen heraus und aus Überzeugung allen Menschen gleichermaßen respektvoll zu begegnen“, betont die Pfarrperson. „Und nicht mit einem erhobenen Zeigefinger.“ Meist helfe es schon, die Frage zu klären, was es eigentlich bedeutet, in den verschiedenen Bereichen queersensibel zu sein.
Queere Menschen werden noch immer bedroht
Ursprünglich kommt der Begriff aus dem Englischen und heißt übersetzt so viel wie „eigenartig“, „sonderbar“ oder „verschoben“ – eine herabwürdigende Bezeichnung für alle Menschen, die nicht zu der heteronormativen Gesellschaft passten – wie beispielsweise Sexarbeitende.
Erst mit der Entstehung des Christopher Street Day und der wachsenden LGBTQ+-Community konnte der Begriff neu konnotiert werden. „Ein Quasi-Schimpfwort wird selbst verwendet und dabei mit einem Bewusstsein gefüllt, mit Stolz und Stärke verbunden – nicht mit einer Herabwürdigung“, fasst es Hilterscheid zusammen.
1979 konnte in Deutschland der erste Christopher Street Day gefeiert werden. Und trotzdem werden queere Menschen mehr als 45 Jahre später noch immer diskriminiert oder sogar bedroht. „Auch an dieser Stelle hat die Kirche Aufgaben“, sagt Hilterscheid. „Die Kirche hat viele Verletzungen verursacht, nicht nur bei queeren Menschen. Ich verwende da den Begriff spirituelle Gewalt.“
Es braucht Zeit, damit Wunden heilen
Aber die Nordkirche hat sich auf den Weg gemacht: „Es braucht Zeit, damit Wunden heilen, gleichzeitig ist es gut, sich noch mal eine neue Chance zu geben“, sagt Hilterscheid. Und genau das sei auch die neue Stelle für queersensible Bildungsarbeit: ein Spagat zwischen Anerkennung von dem, was schon passiert, guter Entwicklung und dem Verweis auf alte Schmerzpunkte. Und das auf 75 Prozent.
„Es gibt verschiedene Geschlechter und verschiedene romantische und/oder sexuelle Lebensweisen. Alle gehören zur Gesellschaft dazu. Am Ende des Tages wäre es schön, wenn auch die Nordkirche das Thema im Blick hat“, wünscht sich Hilterscheid. Damit Queersensibilität in der Sprache, der Bilderwahl, in Predigten, der Jugendarbeit und allen anderen vielfältigen Anliegen und Ausführungen schlicht und einfach normal ist.
Ab kommender Woche lesen Sie immer freitags die neue Kolumne von Tash Hilterscheid zu queersensibler Bildungsarbeit.