Rund 8.000 bis 10.000 Menschen haben am Freitagabend in Oldenburg nach Polizeiangaben an den durch Polizeischüsse getöteten Lorenz A. erinnert. Nach einer Kundgebung am Pferdemarkt mit mehreren Redebeiträgen zogen sie durch die Innenstadt, wie eine Polizeisprecherin dem Evangelischen Pressedienst (epd) mitteilte. Die Veranstaltung sei friedlich und ohne besondere Vorkommnisse verlaufen. Die Teilnehmerzahl übertraf die Erwartungen deutlich. Zu der Demonstration hatte die Initiative „Gerechtigkeit für Lorenz“ aufgerufen. Sie forderte eine lückenlose Aufklärung.
Der 21-jährige Lorenz A. war in der Nacht zu Ostersonntag durch mehrere Schüsse eines Polizisten getötet worden. Er soll zuvor Beamte mit Reizgas angegriffen haben. Drei Kugeln trafen ihn laut Obduktionsergebnis von hinten. Im Krankenhaus erlag er seinen Verletzungen. Gegen den 27-jährigen Polizisten ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Totschlag. Er wurde vom Dienst suspendiert. Der Fall sorgte bundesweit für Aufsehen. Im Zentrum steht dabei die Frage nach einem möglichen Rassismus bei der Polizei, weil der Getötete schwarz war.
Teilnehmer berichteten von einer eher ruhigen Stimmung bei der Kundgebung. Auf der Bühne sprachen Mitglieder der Familie und Freunde des Getöteten. Die Freunde trugen T-Shirts mit einem Porträt von Lorenz A. und der Forderung „Justice For Lorenz“. Der Schriftzug „Gerechtigkeit für Lorenz“ fand sich auch auf zahlreichen Plakaten der überwiegend jungen Teilnehmenden. Teilweise wurde auch Kritik an der Polizei laut durch Plakate wie „Warum musste Lorenz sterben?“, „Bin ich der Nächste?“ oder „Wer beschützt uns vor den Beschützern?“ Die Polizei agierte nach Teilnehmerangaben zurückhaltend.
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Filiz Polat sagte, der Tod von Lorenz werfe ernste Fragen zum Polizeihandeln, zu institutionellen Strukturen und zum gesellschaftlichen Umgang mit Gewalt und Rassismus auf: „Es braucht Transparenz, Konsequenzen und einen ernstgemeinten Einsatz gegen institutionellen Rassismus.“ Sie unterstütze deshalb die Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung. „Gedenken heißt für uns: hinsehen, handeln, verändern.“
Die Staatsanwaltschaft Oldenburg bat nach dem Tod des jungen Mannes die Bevölkerung um Mithilfe. Zeugen, die Hinweise zu den Ereignissen in der Nacht zum Ostersonntag in der Oldenburger Innenstadt geben können, könnten sich unter der Telefonnummer 04221/15590 bei der Polizeidienststelle in Delmenhorst zu melden, teilte sie am Freitag mit.
Ausgangspunkt der Ereignisse war laut Staatsanwaltschaft eine Auseinandersetzung vor einer Diskothek. Danach soll Lorenz A. durch die Innenstadt geflüchtet sein. Einigen Verfolgern soll er mit einem Messer gedroht haben. Das Messer wurde später bei ihm gefunden. Die Staatsanwaltschaft betonte jedoch, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass er damit auch die Polizisten bedroht habe. Die Ermittler werteten zurzeit Video- und Audioaufzeichnungen aus und befragten Zeugen. Darüber hinaus würden das Mobiltelefon des Polizeibeamten und der polizeiliche Funkverkehr ausgewertet.
Unterdessen forderte der Frankfurter Kriminologe Tobias Singelnstein mehr Forschung zu rassistischen Strukturen innerhalb der Polizei. Solche Studien seien „auf jeden Fall“ nötig, sagte der Strafrechtsexperte der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ (Freitag). Zwar sei schon viel passiert. „Aber die meisten Projekte fokussieren auf die Einstellungen der Beamten und nicht so sehr auf die institutionellen und strukturellen Probleme der Organisation.“