Durch den Klimawandel breiten sich sogenannte vernachlässigte Tropenkrankheiten weiter aus. „Das von Moskitos übertragene Dengue-Fieber hat den Mittelmeerraum erreicht, die Wurmerkrankung Bilharziose gibt es mittlerweile auch auf Korsika“, sagt der Tropenmediziner Jürgen May dem Evangelischen Pressedienst (epd). Vor allem jedoch treffen die vernachlässigten Tropenkrankheiten, kurz NTDs (neglected tropical diseases) genannt, weiterhin die ärmsten Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika. „Obwohl hier die Krankheiten weit verbreitet sind, wird ihre medizinische Versorgung oft immer noch vernachlässigt“, sagt der Leiter des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg. Zum Welttag gegen NTDs am (heutigen) 30. Januar fordert er mehr Unterstützung zu ihrer Bekämpfung.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) listet insgesamt 21 NTDs, unter anderem Lepra, Tollwut, Krätze, Bandwurmerkrankungen und Schlangenbissvergiftungen. Weltweit seien mehr als eine Milliarde Menschen von diesen Krankheiten betroffen, weitere 1,6 Milliarden Menschen seien bedroht. „Nicht immer führen die Erkrankungen direkt zum Tod, sondern auch zu Behinderungen, Entstellung, Arbeitsunfähigkeit und Ausgrenzung“, sagt May. NTDs werden durch Bakterien, Viren oder Parasiten verursacht. „Für viele dieser Krankheiten gibt es zwar Behandlungsmöglichkeiten und für wenige sogar Impfungen, zu denen Betroffene aber oft keinen Zugang haben“, sagt der 58-jährige Tropenmediziner. Es sei ein Teufelskreis aus Armut und Krankheit. Ein Hauptproblem sei die mangelnde medizinische Versorgung, erläutert May.
Es fehlen die finanziellen Mittel. „Auch in der Forschung fließt das Geld vor allem in die Pandemie-Studien, NTDs bleiben eher außen vor“, kritisiert May. Neben der humanitären Hilfe für Milliarden Menschen sieht er in der Bekämpfung „ein Schutzschild“ für Deutschland. Nicht wegen vereinzelter Krankheitsfälle unter Reiserückkehrern oder geflüchteten Menschen, die hierzulande gut behandelt werden können. „Das schlechte Gesundheitssystem in den armen Ländern kann ein Nährboden für künftige Pandemien oder Zoonosen sein“, sagt May. Abgesehen davon seien NTDs ein Faktor für die Migration und verhindern, dass betroffene Länder auch zu Wirtschaftspartnern aufsteigen können.
Durch die Corona-Pandemie habe es in vielen afrikanischen Ländern teilweise große Rückschritte gegeben, weil Medikamente nicht mehr bei den Betroffenen verteilt werden konnten. „In den letzten drei Jahren wurden einige Erfolge der letzten 15 Jahre wieder zunichte gemacht“, sagt May. Mit diversen Projekten versucht das Hamburger Tropeninstitut seit Jahren NTDs zurückzudrängen. Je nach Krankheit gehe es dabei um Impfungen, Mückenschutz oder sauberes Wasser, neue Kläranlagen und Toiletten. May: „Ein besonders schwieriges Thema in armen Ländern bleiben die Zoonosen.“ Das sind Infektionen, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden – wie das Coronavirus, das allerdings nicht zu den NTDs gerechnet wird.