Artikel teilen:

Managerinnen der Nächstenliebe

Ulrike Rücker und Lena de Maizière engagieren sich in Berlin-Dahlem für ukrainische Flüchtlinge

Von Uli Schulte Döinghaus

Jeden Freitag treffen sich 40 bis 50 Frauen und Kinder aus ukrainischen Flüchtlingsfamilien im Gemeindehaus der evangelischen Kirchengemeinde Berlin-Dahlem zum Willkommenscafé. Es ist mehr als ein Ort, an dem Kuchenspenden und Kaffee in gemütlicher Runde verzehrt werden. Das Dahlemer Martin-Niemöller-Haus wird freitags zum Zentrum eines Geflüchteten Netzwerks, einer Nachrichten- und Auskunftszentrale für alle, die Unterstützung suchen und brauchen: Hilfestellung, Tipps für Wohnungen und Arbeit, für Kita-Plätze, Schulbesuch und Deutschkurse. Es gibt auch eine kostenlose Warenbörse. Zurzeit sind Kinderbücher besonders begehrt.

Ulrike Rücker, promovierte Rechtsanwältin, und die Ärztin Lena de Maizière gehören zum großen Team der Dahlemer Christinnen und Christen. Sie kümmern sich um Frauen und Kinder, die auf der Flucht vor dem russischen Angriffskrieg in Berlin angekommen sind. Es sei „längst ein Freundschaftskreis, der ganz Berlin umspannt“, sagt de Maizière. 

Sie koordiniert das Engagement der Gastfamilien und Flüchtlingsfrauen. Die Arbeit mit Datenbanken und Tabellenkalkulationen ist ihr mittlerweile vertraut. Es geht um Management, Planung und Logistik: Wie lassen sich welche Kompetenzen, Fertigkeiten und Talente sinnvoll und schnell an welcher Stelle einsetzen? Wie bringen wir geeignete Gastfamilien mit Geflüchteten zusammen, die kurzfristig, ein paar Tage oder sogar für längere Zeit in Berlin bleiben? Was ist zu beachten, damit Familienverbände aus Großeltern, Müttern und Kinder nicht auseinandergerissen werden? Welche Behördengänge sind nötig? Wer begleitet wen? 

Eine Whatsapp-Gruppe hilft

Dabei ist auch eine „Whatsapp“-Gruppe hilfreich: Ihre über 100 Teilnehmer (überwiegend Gastfamilien) können schnell und gezielt reagieren auf Fragen wie: „Ich habe mit meiner Familie ein Behördenproblem – wie habt Ihr das hinbekommen?“ „Wie geht das mit den Handyverträgen?“ „Wie funktioniert eine Kontoeröffnung?“

Die Bereitschaft der Dahlemer Gastfamilien, den Geflüchteten beim Ankommen in Berlin zu helfen und sie unter ihrem Dach aufzunehmen, sei so überwältigend wie das Angebot, auch darüber hinaus Hilfe freiwillig und unentgeltlich zu organisieren, sagt de Maizière, etwa Hilfe für traumatisierte Kinder oder deutsch-ukrainische Gesprächsrunden. 

Es kommt selten vor, dass Programme oder Initiativen aufgegeben werden, weil es an der Nachfrage fehlt. Eher sei darauf zu achten, dass Engagement und Einsatzbereitschaft der Dahlemer Freiwilligen nicht überstrapaziert werden. Bisweilen melden sich auch Gastfamilien, die überfordert sind und Entlastung brauchen. 

„Hilf mir, es selbst zu tun“

Mehr und mehr gilt für die Geflüchteten das Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“. Sie wollen raus aus der Untätigkeit, bieten freiwillige Hilfe und Mitarbeit an, etwa zur Gestaltung von Gottesdiensten. Einige konnten in bezahlte Jobs übernommen werden, andere arbeiten – für eine Ehrenamtspauschale – in der Gemeinde, etwa im Garten, wo ukrainische Jugendliche vier Stunden in der Woche aushelfen. „Das tut ihnen total gut“, weiß Lena de Maizière, die Mutter von zwei kleinen Kindern ist.  

Aber das Maria-Montessori-Prinzip „Hilf mir, es selbst zu tun“ endet spätestens dort, wo die deutsche Bürokratie beginnt. Davon weiß Ulrike Rücker kopfschüttelnd zu berichten. Die Fachanwältin für Arbeitsrecht erzählt, dass die Zuständigkeit für Sozialleistungen von Geflüchteten zwischen Sozialamt und Jobcenter wechselte. So kam auf die Geflüchteten eine Formularflut zu, vor der selbst die Fachfrau fast kapitulierte. Da sollen Menschen, die gerade erst hier angekommen sind, auf Deutsch Fragen nach der Heizungsanlage in Wohnungen beantworten, in die sie (noch) gar nicht eingezogen sind. 

www.kg-dahlem.de