In seiner Doku “Mädchen können kein Fußball spielen” blickt Torsten Körner erneut auf den Fußball und erklärt damit sein Land. Das ist zwar oft schwer zu ertragen, aber stets wichtig.
In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:
Kurz nach dem Start der Frauen-Fußball-EM (bis 27. Juli) in der Schweiz und unmittelbar nach dem ersten Spiel der deutschen Elf gegen Polen platziert Das Erste einen ausgezeichneten Dokumentarfilm über die lange, schwierige, von Anfeindungen geprägte Anlaufzeit des Frauenfußballs in Deutschland.
Während in Westdeutschland der DFB über Jahrzehnte Frauen das Fußballspielen grundsätzlich verbieten wollte, war es in der DDR zwar erlaubt, galt aber auch dort nicht als den Männern ebenbürtig. Dabei taten sich über Jahrzehnte neben den Sport-Funktionären und Politikern auch Reporter mit herablassenden Sprüchen und haarsträubenden Einschätzungen der fußballspielenden Frauen hervor.
Der klug montierte Film von 2025 stellt Pionierinnen vor, die sich ihren Sport nicht nehmen ließen und schließlich die offizielle Anerkennung erlangten. Meilensteine dabei waren das erste weibliche “Tor des Monats” durch Bärbel Wohlleben 1974 und der Gewinn der in Taiwan stattfindenden, von der FIFA noch nicht anerkannten Weltmeisterschaft durch ein deutsches Team, das vom damaligen Dauermeister aus Bergisch Gladbach gestellt wurde.
Wie schon in seinen ähnlich gelungenen Dokus über Politikerinnen in West- und Ostdeutschland (“Die Unbeugsamen”) gelingt es Regisseur Torsten Körner, die historischen Leistungen der Porträtierten zu würdigen, ohne sie zu glorifizieren. Nicht zuletzt, indem er fast ausschließlich die seinerzeit Beteiligten zu Wort kommen lässt.
Die ersten vier Buchstaben des alten Sammelsubstantivs “Mannschaft” – dafür ist kein Master in Germanistik vonnöten – deutet auf eine maskuline Schar Sporttreibender hin. Klingt logisch, ist logisch, wird von Reportern, die selbst weibliche Teams beharrlich Mannschaft nennen, allerdings auch im emanzipierten Jahr 2025 gern ignoriert. “Setzen, sechs!”, möchte mensch da rufen. Oder an Bärbel Wohlleben verweisen.
“Es gab ja kaum eine Frauschaft, gegen die wir spielen konnten”, erinnert sich die Pionierin, ach was: die Revolutionärin an eine Zeit, als ihr verboten war, was sie liebte: Fußball. Mehr als ein halbes Leben später blickt sie zwar gelassen auf die Anfänge ihrer aktiven Laufbahn. Aber wie die 81-Jährige statt Mannschaft selbstverständlich Frauschaft sagt und ausgelassen lacht: Das zeigt, welchen Kampf sie ihr halbes Leben lang ausgefochten hat. Und wer könnte ihn besser dokumentieren als Torsten Körner.
Fünf Jahre nach seinem preisgekrönten Porträt renitenter Politikerinnen im Männerzirkus Bonn (“Die Unbeugsamen”) und vier nach dem noch viel häufiger prämierten Porträt schwarzer Fußballer im Weißenzirkus Bundesliga (“Schwarze Adler”), widmet sich der Filmemacher nun Fußballerinnen, die keine Fußballerinnen sein durften. 1955 untersagte der DFB nämlich Frauen – auch damals schon 50 Prozent der Bevölkerung – die schönste Nebensache der Welt.
“Im Kampf um den Ball verschwindet weibliche Anmut”, war die lächerliche Begründung machtvoller Machos. “Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden, und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.” Im Geist des Nationalsozialismus – der spätere Bundestrainer Sepp Herberger war vor 1945 Reichstrainer und NSDAP-Mitglied – verfügten die Herren ihrer Schöpfung einfach weiter über weibliche Körper und Seelen. Also auch von Bärbel Wohlleben und einer Riege Gleichgesinnter, die Torsten Körner ausfindig machen konnte.
Unter dem provokanten Titel “Mädchen können kein Fußball spielen”, erzählen sie 90 Minuten von einer Selbstermächtigung, die im Frauensport noch längst nicht vor ihrer Vollendung steht. Für einen Sieg der Qualifikation zur Schanzentournee etwa erhielten Skispringerinnen zuletzt ein Handtuch als Prämie – vom Wert her also noch weniger als das Porzellanservice, mit dem der DFB seine Fußballeuropameisterinnen 1989 entlohnte. “Ich hatte schon jede Menge Leute zu Hause, die wollten es mal sehen”, sagt die damalige Torhüterin Marion Isbert. Also servierte sie darin Kaffee. “Und dann war wieder gut.”
Klingt locker, leicht, arglos. Doch die Augen der 61-Jährigen verraten, dass ihr Aufbruch, der ein Ausbruch war, Narben hinterlassen hat. Aber was waren es auch für Zeiten, die Torsten Körner hier Revue passieren lässt? Kurz, bevor der DFB den Frauen das organisierte Kicken verbot, unterstellte ihnen Sepp Herberger höchstpersönlich, mangels Kampfkraft würden sie Leistungen, “die man erwarten darf, doch nie erreichen”. Damit setzte der mittlerweile als WM-Siegertrainer von 1954 Heldenstatus genießende Bundestrainer den Tonfall einer ganzen Generation misogyner Männer, denen zuzuhören mitunter eine Zumutung ist.
Wenngleich eine wichtige – denn so schwer dieses reaktionäre, oft feixende Herabwürdigen weiblicher Fußball- und Lebenskompetenz zu ertragen ist: Es hebt die schier übermenschliche Resilienz der Betroffenen im Windmühleneinsatz hervor. Anne Trabant zum Beispiel, Spielertrainerin des frühen Serienmeisters Bergisch-Gladbach, die in Herbergers frauenfeindlicher Epoche “wie alle Jungs” nach der Schule den “Ranzen in die Ecke” geworfen hat, “raus Kicken” ging und trotz männlicher Besitzstandswahrung zur Fußballerin wurde, die geschlechterübergreifend Respekt erlangte.
Dabei machten ihr die Männer auch nach der hart erkämpften Legalisierung des DFB-Frauenfußballs 1970 das Leben schwer. Die Spielzeit belief sich vorerst auf zweimal 20 Minuten, der Ball war leichter und kleiner als bei Männern. “Wie so’n Luftballon”, echauffiert sich die spätere DFB-Funktionärin Hannelore Ratzeburg und zählt Absurditäten auf: “Wir sollten nur bei schönem Wetter spielen, möglichst auf Naturrasen, Stollenschuhe waren nicht erlaubt”. Und als sie hinzufügt, “eigentlich hätten nur noch kleinere Tore gefehlt”, blendet Torsten Körner einen Sportmediziner mit Netzer-Koteletten ein, der – genau – kleinere Tore empfahl.
Der Osten, den uns DDR-Spielerinnen wie Heidi Vater und Doreen Meier vom Vorzeigeclub FC Carl Zeiss Jena schildern, war zwar ein wenig weiter als der Westen, aber keineswegs progressiv. Dafür fehlte das Renommee einer Sportart, für die es bis 1984 keine internationalen Titel, geschweige denn Olympiamedaillen gab. Aber so beständig die männliche Ignoranz jener Tage beiderseits der Mauer auch war: Torsten Körner schneidet sie ohne jeden Anflug von Groll, gar Furor gegen die weiblichen Abwehrkräfte.
Es grenzt zwar ebenso an Ignoranz, dass der Filmemacher seine Bilder wie so viele Kollegen ausgerechnet mit Artikeln der “Bild”-Zeitung garniert. Ansonsten aber konzentriert er sich voll auf Fußballerinnen. Männer kommen daher nur per Archivmaterial zu Wort – und selten allzu schmeichelhaft. Für die schweigende Mehrheit gedemütigter, diskriminierter, ausgegrenzter Frauen stellt Körner allenfalls leere Stühle hinter seine Interviewpartnerinnen. Das war’s an schmückendem Beiwerk einer Doku, die passend zur laufenden EM in der Schweiz Aufsehen erregt. Wenngleich nicht annähernd so viel wie der steinige Weg zum Frauschaftssport.