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Lust am Leben

Urlauber sind begeistert von der Lebensfreude, die die Menschen in Kuba ausstrahlen. Die Liturgie des Weltgebetstags hat diesmal den Inselstaat im Blick. Midiam und Mercedes erzählen von ihrem Alltag zwischen Unbeschwertheit und täglichen Mühen

Musik, Theater und die Kirche spielen im Leben von Midiam Caridad Lobaina Gomez eine große Rolle. Sie liebt es zu tanzen, genießt die Gottesdienste und freut sich daran, in andere Rollen zu schlüpfen. Das war nicht immer so. Denn in den acht Jahren, die sie ihre alzheimerkranke Mutter gepflegt hat, hat sie auch gelernt, dass sie Zeit für sich braucht. Früher hat die 52-Jährige sich nur um die Kinder, den Haushalt und ihre Arbeit gekümmert. Jetzt sucht sie sich Freiräume wie das Theater, das Tanzen, aber auch Tai Chi.

Hausarbeit ist in Kuba oft beschwerlich

Mercedes Morris Amaya ist neun Jahre jünger und steckt noch voll im Trott von Haushalt, Beruf und Kirche. „Oft schlafe ich nur vier Stunden pro Nacht“, sagt die 43-Jährige. Ihre Lebensfreude stört das nicht.
Midiam aus Havanna war zusammen mit Mercedes aus Santiago de Cuba in Deutschland zu Besuch, um Frauen hier auf den Weltgebetstag einzustimmen. Dabei haben sie gestaunt, wie einfach es sich hierzulande leben lässt. Für Einkäufe sind sie in Kuba stundenlang unterwegs, obwohl sie in großen Städten leben. In keinem Geschäft gibt es alles und manchmal sind die Preise extrem hoch. Dann heißt es, woanders hingehen, nochmal Schlange stehen. Sie brauchen viel Zeit, um von einem Ort zum anderen zu gelangen. „Eine S-Bahn oder Züge so wie hier gibt es bei uns nicht“, sagt Midiam. Dazu kommt, dass die Straßen oft in einem schlechten Zustand sind.
Überhaupt, das Alltagsleben. Gerade Hausarbeit ist oft beschwerlich. Mercedes hat keine Waschmaschine, sie wäscht von Hand. Außerdem lebt sie „auf einer Baustelle“ – ihr Haus wurde durch den Hurrikan Sandy im Jahr 2012 stark beschädigt. Der Großteil ihres Einkommens geht für die Stromkosten drauf, Geld für Renovierungen bleibt oft nicht übrig. Da Mercedes das Haus gehört, ist sie für Renovierungen allein zuständig, ihr Mann unterstützt sie nicht.
Er hilft ihr auch kaum im Haushalt: „Als wir noch frisch verliebt waren, hat er auch mal den Tisch gedeckt. Doch jetzt hat er eine Arbeit, da macht er das nicht mehr.“ Und so rackert sich Mercedes ab. Ganz nebenbei geht sie auch noch in Vollzeit arbeiten. Midiam stimmt ein: „Das weckt bei mir Erinnerungen daran, wie es mir ging, als ich in deinem Alter war.“ Ihr Mann  habe erst im Laufe der Jahre gelernt, im Haushalt mitzuhelfen.
Die von Männern dominierte Gesellschaft, auch Machismo genannt, ist für Midiam das Stichwort, um von ihrer Arbeit zu erzählen. Sie ist beim Kubanischen Kirchenrat angestellt und koordiniert dessen Frauenabteilung. Die organisiert Kurse für Frauen. Die Teilnehmerinnen sollen sich unter anderem mit dem Thema Macht aus biblischer Sicht auseinandersetzen. Außerdem begleitet und unterstützt der Kirchenrat Frauen, die mit häuslicher Gewalt konfrontiert sind. Dazu bildet er Beraterinnen aus.

Engagierter Einsatz für den Umweltschutz

Mercedes koordiniert bei einer christlichen Bildungseinrichtung die Abteilung Ökologie und setzt sich dafür ein, dass die Umwelt geschützt wird. Das fängt mit kleinen Dingen an. So reinigen sie und ihre Kollegen Kanalsysteme, wenn sie verstopft sind. Sie legen Gärten an, und wenn die Müllabfuhr nicht kommt, organisieren sie Pferdekutschen, die den Müll einsammeln. Manchmal wird eine ehemalige Müllhalde in einen Spielplatz verwandelt. Dann geht Mercedes das Herz auf. Ihre Organisation reinigt auch die Strände und verarbeitet organischen Müll zu Dünger. Und sie bildet Erzieherinnen als Multiplikatoren aus.
Woher sie die Kraft für ihr Engagement nimmt und die Freude am Leben? Mercedes findet im christlichen Glauben Halt. Ihre pfingstlerische Hausgemeinde hat eine „ökumenische Perspektive und große theologische Weite“, wie sie sagt. Der Sonntagsgottesdienst dauert zwei Stunden. Dienstags trifft man sich in Haus- und Gebetskreisen, donnerstags nach Gruppen: Jugendliche, Frauen, Kinder, Männer. Dazu gibt es eine intensive Zusammenarbeit mit einem Bildungszentrum. Das bietet Bibelkurse zu Themen wie Gerechtigkeit und Frieden. Und zu innerfamiliärer Gewalt, denn das sei ein großes Thema auf Kuba. Deshalb beschäftigt das Bildungszentrum auch Psychologen.
Der Ehemann von Baptistin Midiam ist reformiert. Sonntags geht sie mal in die eine, mal in die andere Gemeinde. „Ich predige Ökumene nicht, ich lebe sie“, sagt sie. Oft gibt es in ihrer Gemeinde montags einen Gottesdienst mit einem besonderen Schwerpunkt wie dem Gebet. Donnerstags ist Bibelkreis, samstags sind die Familien oder Jugendlichen unter sich. Häufig treffen sie sich zu bestimten Unternehmungen. Das, sagt Midiam, sei besonders wichtig. Denn in Kuba lebten viele Generationen unter einem Dach, oft in kleinen Räumen. „Das führt häufig zu Konflikten.“
Das ist auch ihr Anliegen für den Weltgebetstag: „Dass wir für die Gemeinschaft mit unseren Familien und in den Gemeinden danken können. Dass wir aber auch für die Harmonie untereinander beten.“ Midiam ist Mitglied im nationalen Komitee des Weltgebetstags. Die Kubanerinnen hätten sich das Thema „Hoffnung“ für die Liturgie gewünscht, das internationale Komitee hat ihnen das Thema „Kinder“ gegeben. „Dann haben wir uns an José Marti erinnert.“ Der kubanische Poet und Schriftsteller habe einmal gesagt „Kinder sind die Hoffnung der Welt.“ „Wir haben uns gefragt, was wir für unser Land und unsere Kinder wollen.“ So sind Kinder ein Schwerpunkt der Liturgie. Der zweite sind die Wünsche der Kubanerinnen: „Dass es sich in unserem Land gut leben lässt, und dass wir die guten Dinge, die wir errungen haben, behalten“, sagt Midiam. Werte wie Gemeinschaft, Hilfsbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein. Und: „Wir wünschen uns, dass es einfacher wird, das Leben zu organisieren.“

Kuba stehen große Veränderungen bevor

In der Vergangenheit habe es viele Mangeljahre gegeben. Zum einen hat die Auflösung des Ostblocks 1990 Kuba in eine Wirtschaftskrise gestürzt. Zum anderen war da das inzwischen gelockerte Handelsembargo der USA, unter dem die kubanische Bevölkerung 50 Jahre lang litt. Dieses Embargo sei auch deshalb so schlimm gewesen, weil fast alle anderen Länder der Welt mitgemacht hätten. Als die kubanischen Frauen 2012 die Liturgie für den Weltgebets­tag erstellt haben, konnten sie sich nicht vorstellen, welche Änderungen es bis zum Weltgebetstag in diesem Jahr auf politischer Ebene geben würde. Midiam glaubt deshalb, dass es ein Segen ist, dass ihr Land gerade jetzt in den Blickpunkt kommt.