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Leichter Wellengang

AfD, Flüchtlingspolitik, Wirtschaft, Ökumene – das Leipziger Treffen war reich an Themen. Kardinal Marx plädierte erneut für die Einmischung der Christen in die Politik

Friedrich Stark

LEIPZIG – Trotz einer Vielzahl anderer Themen des 100. Katholikentages: Die AfD und deren Nicht-Einladung zu den Podien sorgte bis zum Schluss des Leipziger Christentreffens für Gesprächsstoff. Thomas Sternberg – Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, das das Treffen organisiert hatte – verteidigte die Entscheidung und betonte, der Katholikentag wende sich gegen alle, die Sorgen und Ängste schürten. Er habe deutlich gezeigt, dass in der Kirche engagierte Menschen „für eine solidarische, tolerante und nach innen und außen offene Gesellschaft einstehen“.  
Später signalisierte Sternberg dann allerdings doch Gesprächsbereitschaft: Den Dialog mit AfD-Chefin Frauke Petry werde er schon führen, sagte er. Dies werde aber nicht als „Schauveranstaltung“ geschehen.
AfD-Vorsitzende Frauke Pe­try kritisierte den Ausschluss ihrer Partei dennoch mit harschen Worten. In einem Interview am Rande des Katholikentages bezeichnete sie ihn als „unchristliches Verhalten sondergleichen“. Sie habe gelernt, dass die Türen der Kirche für jedermann offen seien.

Motto: „Seht, da ist der Mensch“

Zum Katholikentag waren unter dem Motto „Seht, da ist der Mensch“ 34 000 Dauer- und 6000 Tagesgäste in der sächsischen Messestadt zusammengekommen, um Gottesdienste zu feiern und über aktuelle Fragen zu diskutieren. Damit blieb die Teilnehmerzahl hinter den Erwartungen der Veranstalter zurück. Auf Podien wurde mit teils prominenten Gästen, darunter  Bundespräsident Joachim Gauck, unter anderem über Flüchtlingspolitik, den Islam, Wirtschaftsfragen, globale Gerechtigkeit und Ökumene diskutiert. .
Gauck machte in Leipzig deutlich, dass er genug habe von Hetze und der Instrumentalisierung von Sorgen. Natürlich mache Fremdheit erstmal Angst, sagte er. Doch das bedeute nicht, dass das Fremde nicht irgendwann in Vertrautheit umgewandelt werden könne. Das Staatsschiff befinde sich nicht in einem „Sturm oder einem Orkan“, vielmehr seien es „leichte Wellen, die uns bewegen – und die tun uns ganz gut, um uns mal aufzuwecken“.
Vertreter von Bundestag und Bundesregierung verteidigten die geplanten Vorhaben zur Integration von Flüchtlingen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) rechtfertigte Gesetzesverschärfungen mit Verweis auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Vor dem Hintergrund der Pläne für ein Integrationsgesetz forderte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) von den Asylsuchenden eigene Anstrengungen. „Menschen, die zu uns kommen, müssen auch bereit sein, sich integrieren zu lassen“, sagte er.
Mehr Fairness gegenüber denMuslimen in Deutschland forderte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD). Sie verwies auf das Vorurteil, Muslime seien oft Extremisten. Man schließe doch auch bei Katholiken oder Protestanten nicht aufgrund der Religion auf die Persönlichkeit. Es sei unfair, Menschen ein Bild überzustülpen, sagte Özoguz. Das gelte auch für Flüchtlinge aus islamisch geprägten Ländern.
In Leipzig ging die Debatte um das Diakonat von Frauen (siehe Seite 2) und die Haltung der katholischen Kirche zu Familien und Partnerschaften, die nicht dem Ideal des Vatikans entsprechen, weiter. Der Berliner Erzbischof Heiner Koch dämpfte dabei Hoffnungen auf eine schnelle Positionierung der deutschen Bischöfe. „Wir müssen in Ruhe darüber nachdenken“, sagte er.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken drang auf stärkere Bemühungen um das Verhältnis zur evangelischen Kirche. Fast 500 Jahre nach der Reformation sei es an der Zeit, die letzten Schritte der Versöhnung zu gehen, sagte Vizepräsidentin Claudia Lücking-Michel.

„Kirchenspaltung“ – ein zu starker Begriff

Unterdessen unterstrichen der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, die bisher erreichte Versöhnung. Bedford-Strom rief dazu auf, in ökumenischen Streitfragen wie dem Abendmahl auf das zu schauen, was erreicht worden ist. Kardinal Marx plädierte für einen vorsichtigen Umgang auch in der Sprache: Der Begriff „Kirchenspaltung“ sei zu stark, sagte er.
Es gehe darum, die „versöhnte Verschiedenheit“, von der auch Papst Franziskus spricht, zu praktizieren, sagte Bedford-Strohm. Zwar empfinde er einen „kontinuierlichen Schmerz“ darüber, dass das gemeinsame Abendmahl noch nicht möglich sei, doch es gebe positive Zeichen für Flexibilität. So habe Franziskus nicht nur die lutherische Gemeinde in Rom besucht, er habe auch einen Abendmahlskelch mitgebracht und gesagt: „Schreitet mutig voran.“
Mit einem Appell für eine gerechte und menschliche Flüchtlingspolitik endete der Katholikentag. Im Abschlussgottesdienst,  den etwa 25 000 Gläubige auf dem Leipziger Augustusplatz feierten, rief Kardinal Marx zu einer von Barmherzigkeit geprägten Asylpolitik auf. Grundlage für die Kirchen sei das Evangelium, das werde nicht von Meinungs- oder Stimmungsfragen abhängig gemacht. Marx rief Christen dazu auf, sich in der Politik einzumischen.
Ein ökumenisches Signal sandten evangelische Gäste am Schluss des Leipziger Katholikentages aus: Sie luden die katholischen Glaubensgeschwister zum Evangelischen Kirchentag im kommenden Jahr nach Berlin und Wittenberg ein.
„2017 ist ein besonderes Jahr. Wir blicken zurück auf 500 Jahre Reformation“, sagte Kirchentags-Präsidentin Christina Aus der Au. Der Berliner Bischof Markus Dröge warb für das Christentreffen 2017 und appellierte an die Kraft der ökumenischen Verbundenheit: „Unser Glaube ist eine Friedens- und Versöhnungskraft.“ epd