In der Debatte um Abtreibungen in Deutschland beobachtet Alexandra Maria Linder, Vorsitzende des Bundesverbandes Lebensrecht, eine Verrohung der Sprache. „Wir erleben eine Entmenschlichung, wenn statt von ungeborenen Kindern von Schwangerschaftsgewebe, Zellhaufen oder dem Gebärmutterinhalt gesprochen wird“, sagte sie am Dienstagabend bei einer Veranstaltung des Gesprächskreises „Lebendige Gemeinde“ in Stuttgart.
Die Wissenschaft habe nachgewiesen, dass beim Menschen bereits am dritten Tag seiner Existenz, wenn er aus nur acht Zellen bestehe, alle Erbinformationen festgeschrieben seien. Umfragen zeigten, dass die Hälfte der Frauen, die in Deutschland eine Abtreibung haben vornehmen lassen, dies aufgrund von äußerem Druck getan hätten. Es brauche mehr Aufklärung und Unterstützungsangebote für werdende Mütter.
Derzeit sind Abtreibungen in Deutschland grundsätzlich rechtswidrig, innerhalb einer bestimmten Frist und nach einer Beratung aber straffrei. Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission hatte in der vergangenen Woche eine Reform des Abtreibungsrechts empfohlen. Das Gremium rät, Abtreibungen im frühen Stadium der Schwangerschaft zu erlauben und nicht mehr im Strafrecht zu regulieren. Die Bundesregierung ließ offen, ob sie noch in der laufenden Legislaturperiode eine Gesetzesänderung in Angriff nimmt. Sie strebt einen breiten gesellschaftlichen und parlamentarischen Konsens an.
Auch in der Debatte um Sterbehilfe warnte Linder vor einem steigenden Druck auf Betroffene: „Wenn die Tür zum assistierten Suizid einmal geöffnet ist, bekommt man sie nicht wieder zu.“ Das zeige sich etwa in Kanada. Dort seien acht Jahre nach der Legalisierung aktiver Sterbehilfe im Jahr 2016 bereits drei Prozent aller Todesfälle auf Sterbehilfe zurückzuführen, sagte sie. Eine steigende gesellschaftliche Akzeptanz für Sterbehilfe führe dazu, dass Alte und Kranke niemandem zur Last fallen wollten und lieber freiwillig aus dem Leben schieden, so Linder. Denn statistisch betrachtet verursache der Mensch in seinen letzten fünf Lebensjahren die meisten Kosten. (0848/24.04.2024)