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Lateinamerikas Konservative suchen ihren Platz

Zwischen Linksdiktaturen und Rechtspopulismus wird der Platz für gemäßigte konservative Kräfte in Lateinamerika immer kleiner. Für viele hat das auch etwas mit der Kapitalismuskritik der katholischen Kirche zu tun.

Ein Jahr lang redete Javier Milei nicht mit seinem politischen Partner Mauricio Macri. Dabei war die politische Führungsfigur von Argentiniens Konservativen zu Beginn der Amtszeit des libertären Präsidenten wegen fehlender Mehrheiten in den Parlamenten ein wichtiger Steigbügelhalter für Mileis Reformen und Sparmaßnahmen. Doch Milei verfolgte einen anderen Plan: Verdrängung und Übernahme des konservativen Lagers in seine libertäre Bewegung. Ausgerechnet die konservative Präsidentschaftskandidatin von 2023, Patricia Bullrich, wechselte im Mai 2025 die Fronten – und gehört jetzt dem libertären Lager an.

Argentinien ist eines von vielen Beispielen, die zeigen, wie schwer es konservative Kräfte in Lateinamerika haben, dem Druck von rechts und links etwas entgegenzusetzen. In Brasilien hat die rechtspopulistische Familie von Jair Bolsonaro praktisch das konservative Lager übernommen. In Chile könnte bei den Wahlen Ende des Jahres ebenfalls der Rechtspopulismus die Konservativen als einflussreichste Kraft rechts der Mitte ablösen.

In links regierten Ländern ist der Druck noch größer – und auch gefährlicher: In den drei Linksdiktaturen Kuba, Venezuela und Nicaragua werden konservative Politiker verfolgt, eingesperrt oder gleich ganz verboten. In Kolumbien wurde der mögliche konservative Präsidentschaftskandidat Miguel Uribe erschossen.

Beim Kongress “Forum Freies Amerika” von christdemokratischen Parteien aus Lateinamerika in Mexiko-Stadt diskutierten in der vergangenen Woche Teilnehmer über den zunehmenden Druck der politischen Ränder. Eine Ursache ihrer Ansicht nach: die katholische Kirche. Die sei unter dem aus Argentinien stammenden Papst Franziskus (2013-2025) wirtschaftspolitisch, nicht gesellschaftspolitisch, nach links gerückt und habe sich damit vom klassischen Markenkern des Konservatismus entfernt: Marktwirtschaft und Privateigentum.

Hinzu kämen Positionen wie eine kritische Haltung zu einer restriktiven Migrationspolitik, die ebenfalls ein klassisches rechtes Thema ist. “Wir fühlen uns von der katholischen Kirche im Stich gelassen”, sagte ein Diskussionsteilnehmer aus Mexiko und verwies auf den wachsenden Einfluss erzkonservativer evangelikaler Kirchen. Der Konservatismus fühlt sich spirituell zunehmend heimatlos.

Die evangelikalen Kirchen wiederum sind eng mit rechtspopulistischen Parteien verbunden, etwa in Brasilien. Auch Argentiniens Präsident Milei fremdelt mit der katholischen Kirche, deren Armenpriester einen stramm linken sozialistischen Kurs befürworten. Der christdemokratischen Bewegung werde durch den volkswirtschaftlichen Linksruck der katholischen Kirche der kirchliche Hintergrund entzogen, lautet die Schlussfolgerung der Diskussionsteilnehmer.

Dabei setzen gerade in den Linksdiktaturen Kuba, Nicaragua und Venezuela die oppositionellen Kräfte auf den christlichen Glauben. Die Kubanerin Rosa María Payá, Tochter des Gründers der oppositionellen christlichen Befreiungsbewegung MCL, Oswaldo Payá, wurde mit dem Menschenrechtspreis des Forums ausgezeichnet. Sie erinnerte in ihrer Dankesrede daran, dass “Jesus Christus eine entscheidende Kraft” in der politischen Motivation ihres Vaters gewesen sei. Oswaldo Payá kam 2012 bei einem mysteriösen Autounfall ums Leben.

In Nicaragua stellte sich die katholische Kirche hinter die Oppositionsbewegung – und wurde dafür von der linksextremen-sandinistischen Regierung hart bestraft: Bischöfe und Priester wurden verhaftet oder zwangsausgewiesen, Hunderte kirchliche Einrichtungen beschlagnahmt und geschlossen. In Venezuela ruft die katholische Kirche dazu auf, im Zuge der bevorstehenden Heiligsprechung von José Gregorio Hernández, des “Arztes der Armen” (1864-1919), alle politischen Gefangenen freizulassen.

Vom Vatikan unter Papst Franziskus fühlten sich viele Gläubige in den Linksdiktaturen im Stich gelassen. Sie hätten sich eine ähnlich klare Positionierung des im April gestorbenen Papstes gewünscht, wie er sie bei den Themen Migration und Wirtschaftspolitik hatte. Nun setzen sie ihre Hoffnung in Leo XIV., der zuletzt mit dem Empfang ausgewiesener nicaraguanischer Bischöfe ein Zeichen setzte. Der Kapitalismuskritik seines Vorgängers schloss er sich jedoch mit seinem ersten offiziellen Lehrschreiben “Dilexi te” an.

Inzwischen drängen evangelikale Vertreter in das entstandene Vakuum – wie in den USA der kürzlich erschossene christlich-fundamentalistische Aktivist Charlie Kirk. Er hatte bei seinen Campus-Besuchen in Diskussionen mit linken Studentenorganisationen auf die Menschenrechtsverletzungen in den Linksdiktaturen verwiesen.