Die Kirchen müssen nach den Worten des bayerischen evangelischen Landesbischofs Christian Kopp schlankere Strukturen entwickeln, um auch in Zukunft ihren gesellschaftlichen Auftrag erfüllen zu können. „Wir verwalten uns zu Tode. Das könnte man über die evangelische Kirche und wahrscheinlich auch insgesamt über die deutsche Bürokratie schreiben“, sagte der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern am Mittwoch auf dem Jahresempfang des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer in Deutschland (aeu) in Frankfurt am Main.
Soziale Systeme zeichneten sich durch eine starke Trägheit aus, fügte Kopp hinzu. Sie hätten das Ziel, das Bisherige möglichst zu erhalten. Das sei auch an den Kirchen zu beobachten: „Und darum brauchen wir eine Verständigung darüber, dass Qualität wichtiger ist als Quantität“, sagte Kopp auch mit Blick auf seelsorgerliche Handlungen wie Trauungen oder Beerdigungen. Er habe von Unternehmerinnen und Unternehmern die Lust auf Gestaltung, eine beständige Suche nach guten Lösungen sowie „die konsequente Orientierung an den Interessen der Kunden“ gelernt.
„Wer wie ich zu den Babyboomern gehört, der reibt sich in der heutigen Zeit quasi täglich die Augen“, sagte Kopp vor dem Arbeitskreis: „Mein Leben war über viele Jahre und Jahrzehnte bestens geordnet“, fügte er hinzu. Aber der gesellschaftliche Wandel habe eine Dynamik, „die mich manchmal fassungslos macht. Die Art und Weise, wie Religiosität in den westlichen Industrieländern geradezu am Verdunsten ist, hätte ich mir in dieser Geschwindigkeit nicht vorstellen können.“
Viele Menschen müssten sich aktuell so sehr um sich selbst kümmern, dass kaum noch Zeit für anderes bleibt. „Das Leben ist anstrengend, darum sind wir mittendrin in einer großen Veränderung beider großen Kirchen.“ Zu dieser Veränderung, die auch eine Verkleinerung ist, trage auch der allgemeine Vertrauensverlust in Organisationen und Institutionen bei, so der Landesbischof.
Kopp ermutigte die Kirchen dazu, sich mehr auf ihre Kernaufgaben Seelsorge, Diakonie und Gottesdienst zu konzentrieren. „Ich möchte das nicht lächerlich machen, aber vor lauter Beschäftigung mit unseren Regelungen und Strukturen kommen wir manchmal kaum zum Arbeiten“, sagte er. Vielmehr benötigten die Kirchen ganz viel Inspirierendes, Unerwartetes, Interessantes und gut Gemachtes: „Darum geht es.“
Ihm sei der „Blick auf das Höhere, auf den höheren Sinn der Organisation“ zentral wichtig, fügte er hinzu. Die alten kirchlichen Angebote und Formen würden in bestimmten Bereichen nicht mehr nachgefragt, sagte Kopp. Daher seien neue Formen nötig. Es brauche eine „neue Art, Kirche zu sein.“ Angesichts eines zurückgehenden Pfarrernachwuchses sei auch eine Transformation des Theologiestudiums nötig, um dafür mehr junge Menschen zu gewinnen.
Der 1966 gegründete Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer in Deutschland e. V. (aeu) mit Sitz in Berlin versteht sich als Netzwerk protestantischer Unternehmer, Manager und Führungskräfte. Zu seinen Aufgaben gehören der Dialog mit Kirchenleitenden, die Organisation von fachlichem Austausch sowie Angebote zur Glaubensvergewisserung für die Mitglieder.