Sie sollen nicht in Belgien auftreten: die Münchner Philharmoniker und ihr künftiger israelischer Chefdirigent Lahav Shani. Die Kritik an der Entscheidung hält an – und es gibt eine Einladung.
Nach der Ausladung aus Belgien kommt eine Einladung aus Berlin: Die Münchner Philharmoniker treten mit ihrem künftigen israelischen Chefdirigenten am Montag in Berlin auf. Das Orchester gastiert mit dem Dirigenten Lahav Shani beim laufenden Musikfest Berlin um 19.00 Uhr im Konzerthaus, wie das Musikfest am Freitag ankündigte. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos) sprach von einem “wunderbaren Zeichen”. Die Kritik an der Ausladung des Spitzenorchesters hält unvermindert an.
Das Flanders Festival in Gent hatte ein für den 18. September geplantes Konzert der Münchner Philharmoniker vom Spielplan genommen. Laut dem Orchester wurde das damit begründet, dass der in Tel Aviv geborene Shani auch Musikdirektor des Israel Philharmonic Orchestra ist. Shani übernimmt ab der Saison 2026/27 die Position des Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker. Das Konzert in Gent sollte ein Höhepunkt ihrer Europatournee werden.
Das Gastspiel in Berlin sei “in Zeiten, in denen sich blanker Judenhass immer stärker Bahn bricht, ein wichtiges, ehrliches Solidaritätsbekenntnis innerhalb der Kulturszene”, sagte Weimer. Von der Einladung gehe die Botschaft aus, sich entschieden gegen Antisemitismus zu stellen und gemeinsam für Respekt, Menschlichkeit und ein friedliches Miteinander einzustehen.
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, kritisierte die Ausladung aus Belgien: “Von Künstlerinnen und Künstlern zu verlangen, dass sie sich für oder gegen den Staat positionieren, in dem sie leben oder aus dem sie kommen, kommt einer Gesinnungsprüfung gleich.” Er frage sich, was der nächste Schritt sei: “Sollen Künstlerinnen und Künstler offenlegen, wen sie gewählt haben, um noch auftreten zu dürfen?”
Der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, betonte, dass die Musiker, Besucher und Sponsoren des Festivals aus aller Welt kämen. “Ausgerechnet der Dirigent aus Israel wird jedoch ausgeladen – das ist purer Antisemitismus.”
Auch aus Sicht des Historikers Meron Mendel wurde mit der Entscheidung eine Grenze überschritten. Wenn es gegen Menschen gehe aufgrund ihrer Religion oder ihrer Staatsangehörigkeit, sei das äußerst problematisch, sagte der aus Israel stammende Mendel am Donnerstagabend. “Leute darf man nicht in Kollektivhaftung nehmen.”
Starpianist Igor Levit sagte am Donnerstagabend den ARD-“Tagesthemen”, er sei “wütend und erschüttert”. Man knicke vor dem Druck der Straße ein, mahnte Levit. “Wir sprechen die ganze Zeit von der Freiheit der Kunst. Und jetzt kommt eine Institution wie das Festival in Gent und lädt ein deutsches Orchester mit seinem designierten israelisch-jüdischen Chefdirigenten aus – einzig und allein, weil er ein israelisch-jüdischer Chefdirigent ist, der – Zitat Festival – ‘Ruhe zerstört’.”
Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin würdigte Shani: “Von unserem Orchester und Team wird Lahav Shani hochgeschätzt, nicht nur als Gastdirigent, sondern auch als Mensch, der sich immer für Dialog und Frieden ausgesprochen hat.” Die Musik, die Trost und Hoffnung in einer immer repressiveren Welt sei, dürfe nicht Opfer politischer Boykotte werden.
Die Präsidentin der Kulturministerkonferenz, Kulturministerin Barbara Klepsch (CDU) aus Sachsen, verurteilte die Absage und mahnte zugleich zu Besonnenheit: “Wir sollten alles daransetzen, dass dieser Vorfall nicht zu einer weiteren Eskalation führt. Kultur darf nicht zum Spielball geopolitischer Konflikte werden.”