Artikel teilen:

Kolonialdialog mit Namibia – Abgeordnete kritisiert Regierung

Mit Blick auf den Kolonialdialog mit Namibia wirft die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen der Bundesregierung Untätigkeit vor. “Offenbar besteht seitens der Ampel kein wirkliches Interesse der Aufarbeitung deutscher Kolonialverbrechen in Afrika”, sagte Dagdelen am Freitag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin. “Es ist eine wohlfeile Illusion zu meinen, diese zögerliche Haltung der Bundesregierung würde in den Ländern des globalen Südens nicht registriert werden.”

Namibia war von 1884 bis 1915 deutsche Kolonie. Zwischen 1904 und 1908 töteten deutsche Truppen unter Lothar von Trotha (1848-1920) Zehntausende Herero und Nama. Im Januar 1904, vor 120 Jahren also, hatten zunächst die Herero gegen Misshandlungen und großflächigen Landraub der Deutschen rebelliert.

In einer 2021 paraphierten “Gemeinsamen Erklärung” verständigten sich Deutschland und Namibia darauf, die Ereignisse “aus heutiger Perspektive” als Völkermord zu bezeichnen. In den nächsten 30 Jahren sollen rund 1,1 Milliarden Euro in Wiederaufbau- und Entwicklungsprojekte in Namibia fließen. Bislang allerdings fehlt die Zustimmung des namibischen Parlaments. Ein Grund ist, dass es in dem südafrikanischen Land heftige Debatte über das Zustandekommen der Erklärung gibt.

Wie aus einer jetzt bekannt gewordenen Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Abgeordneten vom Bündnis Sahra Wagenknecht hervorgeht, gab es im Oktober 2023 in der namibischen Hauptstadt Windhuk das erste persönliche Treffen zwischen Vertretern der Bundesregierung und der namibischen Regierung seit Ende 2022. Anfang Dezember vergangenen Jahres seien dann “die Gespräche über die offen gebliebenen Auslegungsfragen” in Berlin fortgesetzt worden. Die Antwort liegt der KNA vor.

Gegner des Abkommens hatten im Januar 2023 eine Klage beim obersten Gerichtshof von Namibia eingereicht. Ziel ist es, die “Gemeinsame Erklärung” außer Kraft zu setzen, weil sie “ohne Beteiligung der von den tragischen Geschehnissen von 1904 bis 1908 Betroffenen oder allgemein der namibischen Öffentlichkeit” verfasst worden sei. Eine Entscheidung steht noch aus.

Ähnlich wie Dagdelen hatte sich zuvor bereits der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer geäußert. Er bemängelte zudem, dass es 120 Jahre nach Beginn des Völkermords an den Herero und Nama weder ein zentrales Denkmal noch einen Ort der wissenschaftlichen Aufarbeitung und des historischen Lernens gebe. “In Hamburg, Drehscheibe der Logistik für den Völkermord, werden am Baakenhafen, von wo die Schiffe nach Namibia abfuhren, Luxuswohnungen gebaut, an den Genozid erinnert nichts”, sagte Zimmerer am Mittwoch der KNA.