Während Corona mussten die meisten Bundesbürger ihr Verhalten deutlich ändern. Doch fünf Jahre nach Beginnt der Pandemie ist vielfach die Normalität zurück.
Fünf Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie ist das Händeschütteln wieder zurück. “Nach meinen Beobachtungen ist es für 90 Prozent der Bundesbürger wieder völlig üblich, sich die Hände zu schütteln oder sich im privaten Bereich zur Begrüßung oder zum Abschied zu umarmen”, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen-Knigge-Gesellschaft, Clemens Graf von Hoyos, am Mittwoch im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in München. Zugleich seien die Menschen auch gesundheitsbewusster und selbstbewusster geworden: “Es ist mittlerweile durchaus akzeptiert, eine ausgestreckte Hand nicht zu ergreifen. Das ist keine Beleidigung oder Ehrverletzung mehr.”
Der Experte für gutes Benehmen betonte, eine 2.000 Jahre alte und tief verwurzelte Geste wie das Händeschütteln lasse sich nicht einfach durch zwei Jahre Pandemie abschalten. Dabei sei zugleich die Bandbreite der üblichen Begrüßungsformen gewachsen. “Auch alternative Gesten wie Hand aufs Herz oder ein angedeutetes Nicken sind akzeptierte Umgangsformen.”
Diese Gesten seien sehr situationsabhängig. “Ich muss immer überlegen, wo ich mich gerade befinde: Handelt es sich um eine berufliche, private oder eine Mischsituation? Habe ich es mit einer anderen Kultur zu tun?” Wichtig sei es, Wertschätzung und Rücksichtnahme zu zeigen. “Zum Glück haben sich Gesten wie das Begrüßen mit den Füßen oder den Ellenbogen oder der Fist-Bumb (vulgo auch Ghetto-Faust) nicht durchgesetzt. Das wirkte ja aufgesetzt, clownesk oder leicht aggressiv.”
Mit Blick auf die bei vielen Bürger wachsende Krisenstimmung sagte Hoyos, es gebe sowohl in Deutschland als auch in den USA einen Boom bei Kursen, in denen man Etikette und gute Umgangsformen lernen könne. “Die Menschen sehnen sich nach Anstand und gutem Benehmen.” Es gebe eine Gegenbewegung zu den üblen Beschimpfungen und Unwahrheiten, die von Sozialen Netzwerken oder US-Präsident Donald Trump in die Welt gesetzt würden. “Vielleicht ist diese Mehrheit nur viel zu ruhig und zurückhaltend, um aufzubegehren und ihre Wünsche zu formulieren.”
Auch die alternde Gesellschaft und der vielerorts zu beobachtende Personalmangel in Behörden und Betrieben sorgt nach Ansicht des Knigge-Experten für mehr Etikette. “Arbeitgeber werden Fachkräfte und Talente nur halten können, wenn das Betriebsklima stimmt”, sagte er. “Es gibt Schätzungen, nach denen zehn Prozent der Arbeitnehmer, die kündigen, das tun, weil sie sich in ihrem Betrieb menschlich nicht wohlfühlen.”
In einer vor wenigen Tagen veröffentlichten Forsa-Umfrage für RTL hatten nur 13 Prozent der Befragten erklärt, Corona spiele für ihren Alltag noch eine Rolle. Bei 86 Prozent hingegen ist das nicht der Fall. 39 Prozent der Befragten geben an, dass sie sich als Präventionsmaßnahme im Alltag häufiger die Hände waschen als noch vor der Pandemie. 31 Prozent halten in der Öffentlichkeit mehr Abstand zu ihren Mitmenschen. 25 Prozent tragen bei Krankheit in der Öffentlichkeit eine Maske. 22 Prozent testen sich regelmäßig oder bei Verdacht auf eine Corona-Infektion, 17 Prozent lassen sich weiterhin regelmäßig gegen Corona impfen. Etwa ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger (32 Prozent) wendet keine der Präventionsmaßnahmen mehr an.