Rund vier Monate bleiben noch, bis die 29. UN-Klimakonferenz (COP 29) in Aserbaidschans Hauptstadt Baku eröffnet wird. Für die einstige Sowjetrepublik wird es eine Chance, sich auf internationaler Bühne zu profilieren. Doch als Gastgeber des Gipfels ist das Land umstritten – nicht nur wegen des Krieges in Region Bergkarabach.
Aserbaidschan sei nicht nur Kriegstreiber, sondern werde auch autoritär regiert und lebe von fossiler Energie, sagt der im Exil lebende aserbaidschanische Journalist und Menschenrechtsaktivist Emin Husejnow. Präsident Ilham Alijew wolle seine politische Existenz für die Ewigkeit sichern, sagt Husejnow. „Dafür braucht er mehr ausländische Abnehmer für die Öl- und Gasindustrie.“ Klimawandel und Umweltschutz seien ihm völlig egal.
Offiziell beteuert die COP-Präsidentschaft, an dem Pariser Klimaziel festhalten zu wollen, wonach die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius beschränkt werden soll. Beim Petersberger Klimadialog im April in Berlin bezeichnete Staatschef Alijew es jedoch als „Geschenk Gottes“, dass Aserbaidschan über Öl und Gas verfüge. „Wir sollten daran gemessen werden, wie wir es für unsere Entwicklung nutzen“, sagte er im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Die maßgeblich für den Klimawandel verantwortlichen fossilen Brennstoffe sollen also weiter gefördert werden. Im Juli 2022 hat auch die EU eine Partnerschaft mit Aserbaidschan vereinbart – mit dem Ziel, die jährlichen Gaslieferungen aus dem Land bis 2027 auf 20 Milliarden Kubikmeter mehr als zu verdoppeln. Das passt nicht zu den Beschlüssen des vergangenen Klimagipfels in Dubai, wo erstmals eine Abkehr von Öl, Kohle und Gas beschlossen wurde.
In Baku dürfte vom 11. bis zum 22. November vor allem ums Geld gerungen werden. Im Mittelpunkt der Gespräche stehen die Klimahilfen für Entwicklungs- und Schwellenländer. Doch auch für dieses Thema ist Aserbaidschan laut Husejnow nicht der passende Ort. Es sei ein Hohn, in „einem der korruptesten Länder der Welt“ über gerechte Finanzströme zu diskutieren, sagt der Aktivist. Im Korruptionsindex von Transparency International liegt Aserbaidschan auf Platz 154 von 180 Staaten.
Noch schlechter steht es um die Pressefreiheit: Auf der Rangliste von „Reporter ohne Grenzen“ belegt das Land Platz 164. Die Journalistenorganisation berichtet von einer regelrechten Verhaftungswelle seit vergangenem Herbst: Mindestens 15 Medienschaffende seien festgenommen worden, fast alle von ihnen säßen noch immer im Gefängnis. „In den Monaten vor dem Weltklimagipfel in Baku versucht Präsident Alijew offenbar, die wenigen noch unabhängigen Stimmen mit aller Macht auf Linie zu bringen“, kritisiert Pressereferent Christopher Resch.
„Reporter ohne Grenzen“ fordert die Freilassung der inhaftierten Journalisten und eine Überarbeitung des seit 2021 geltenden Zensurgesetzes. Der Weltklimagipfel biete der internationalen Gemeinschaft die Chance, konkrete Verbesserungen einzufordern.
Ähnlich sieht es der im Schweizer Exil lebende Aktivist Husejnow, der 2015 nach Sicherheitsbedenken mit Hilfe der Schweiz außer Landes gelangte. Die Zivilgesellschaft im In- und Ausland müsse unterstützt werden. Zudem müssten sich die Staats- und Regierungschefs für die Freilassung der rund 300 politischen Gefangenen einsetzen.
Husejnow beklagt auch, dass die COP 29 rund ein Jahr nach der Eroberung der abtrünnigen, lange von Armenien beanspruchten Region Bergkarabach und der umliegenden Gebiete von Aserbaidschan ausgerichtet wird. Bei der Offensive im September 2023 wurden mehr als hunderttausend ethnische Armenier vertrieben. Es gibt Berichte über Kriegsverbrechen, wie die Ermordung von Zivilisten und Kriegsgefangenen durch das aserbaidschanische Militär. Zwar verspricht der außenpolitische Berater von Präsident Alijew, Hikmet Hajijew, eine „COP des Friedens“. Doch ein Friedensvertrag zwischen beiden Ländern steht noch aus.
Sonja Schiffers, Leiterin des Regionalbüros Südkaukasus der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, hält es zur Bewältigung der Klimakrise für notwendig, auch mit schwierigen Partnern zusammenzuarbeiten. Aserbaidschan sei nicht der erste autoritäre Staat, der die COP ausrichte. Der Gipfel in Baku berge die Chance, das Bewusstsein für den Klimawandel in der Region, das selbst unter jungen Menschen niedrig sei, zu steigern, sagt sie. Ob er zum Erfolg werde, hänge auch vom Umgang mit der Zivilgesellschaft ab.