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Klage und Hingabe

Christoph Hagels Inszenierung der Johannespassion im Berliner Dom ist eigenwillig und auch spektakulär.

Von Andrea von Fournier

Männer mit nackten Oberkörpern. Sehnig, muskulös, mit Waschbrettbauch. Sie tanzen mit Kindern und Frauen in schlichten, wehenden Kleidern in einem Sandkasten im Großformat. Der steht, mit fünf Tonnen dunklem Kies gefüllt, zurzeit vor dem bekannten Stüler-Altar im Berliner Dom. Hier verwirklicht Christoph Hagel, Dirigent und Opernregisseur, seine Vorstellung von Johann Sebastian Bachs Johannespassion, in der die letzten Lebenstage Jesu geschildert werden. Christoph Hagel, aufgewachsen in Baden-Württemberg, wurde durch seine modernen Interpretationen klassischer Werke und Aufführung an ungewöhnlichen Orten bekannt. Obwohl er weltweit arbeitet, zog ihn Berlin immer wieder an: U-Bahnhof, Museen, das E-Werk machte er zu Spielstätten. Nach Haydns „Die Schöpfung“ im Jahre 2011 ist die Johannespassion sein zweites Projekt, bei dem der Berliner Dom ihm die Bühne bietet.

Den ganzen Raum einnehmen

„Diesen gewaltigen Raum in seiner baulich vielgestaltigen Ausprägung akustisch und dramatisch zu füllen, ist eine besondere Aufgabe“, weiß Mark Boese, der mit seiner Frau Miriam die Aufführung produziert. Hagel hat sich voll in diese Aufgabe gestürzt und er beansprucht nicht mehr, als den ganzen Raum in die Handlung einzubeziehen. Das erweist sich als schwierig. Er dirigiert die Berliner Symphoniker und den Symphoniechor. Die Gesangssolisten, die dem Evangelisten als Erzähler, Jesus, Petrus, der Magd, Pilatus und anderen Handelnden ihre Stimme geben, sind ebenso international wie die Tänzer. Choreograph Martin Buczkó ist für die tänzerische Umsetzung des Themas zuständig. Der gebürtige Ungar war bis vor Kurzem Solotänzer am Berliner Staatsballett.Buczkó hat für dieses Stück neben zehn Solotänzern aus aller Welt Schüler der Staatlichen Ballettschule Berlin verpflichtet. Über 100 Mitwirkende aus zwölf Ländern vor und hinter der Bühne bilden das Team, das die dramatische Handlung der Johannespassion musikalisch und tänzerisch unter die prächtige Domkuppel bringt.

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